Herzlich Willkommen auf meinem Blog!


Diese Seite soll mir helfen Euch meine Erfahrungen, meine Eindrücke und meinen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Bangladesch näher zu bringen.

Von September 2008 bis August 2009 arbeite ich zusammen mit NETZ Bangladesch bei der Entwicklungsorganisation Ashrai. In dieser Zeit bin ich in einem Grundbildungsprogramm in der Region um Joypurhat tätig.

Nähere Infos zu dem Projekt findet Ihr "hier".

Ich werde mich bemühen regelmäßig aus Bangladesch zu berichten. Ihr habt zu jedem Post die Möglichkeit Kommentare abzugegen. Solange nicht anders gewünscht, werde ich die Kommentare nach einer Prüfung meinerseits veröffentlichen. Gerne dürft Ihr mir auch auch E-Mails schreiben oder mich auf eine andere Weise kontaktieren.


Peter


Mittwoch, 26. November 2008

Morgensonne

26.11.2008

"Vor mir ein kleiner See. Die Sonne ist mittlerweile aufgegangen. Die hellen Strahlen fühlen sich gut an. Ein warmer Strom fährt durch meinen Körper."

Eigentlich wollte ich das Interview gestern führen. Aber es war zu spät. Jetzt muss ich früh morgens in das Dorf, bevor die Leute anfangen zu arbeiten. Es dämmert leicht. Verschlafen setze ich mich auf das Motorrad. Der Fahrtwind ist kälter als sonst. Ohne einen Schal und nur mit einem dünnen Pullover ist die gefühlte Temperatur noch niedriger. Nebel bedeckt die Felder. Kaum jemand ist unterwegs. Nur vereinzelt sieht man Menschen die Straße entlang gehen. Selbst die Läden haben so früh noch nicht auf. Ein warmer Tee wäre jetzt gut, denke ich mir, als wir einen kleinen Markt passieren. Wir sind eine ganze Weile unterwegs, bevor wir das Dorf erreichen, in dem ich schon gestern war.

Wir halten an und müssen das kleine Stück von der Straße zu den Häusern zu Fuß laufen. Auch die Dorfbewohner sind gerade aufgestanden. Frauen holen Wasser von einem Brunnen oder spülen die gerade benutzten Töpfe an einer Wasserstelle. Hier und da sieht man Leute mit einem kleinen Ast in der Hand. Das eine Ende aufgeribbelt, um auch die Zahnlücken zu säubern. Alles ist ruhig. Die einzigen wahrnehmbaren Geräusche kommen von den Tieren. Kühe, Hühner und Ziegen geben regelmäßig Laute von sich.

Wir warten ein paar Minuten auf die Leute, mit denen ich sprechen will. Als alle versammelt sind, setzen wir uns in einen Kreis. Ich hole mein Notizbuch aus meiner Tasche und fange an Fragen zu stellen. Zum Glück ist mein Kollege dabei, um mir beim Übersetzen zu helfen. Erst als die Bewohner unter sich in ihrer eigenen Sprache sprechen, versteht auch er nichts mehr. Es vergeht fast eine Stunde, bis ich alle Informationen habe, die ich brauche. Ich bedanke mich, vor allem dafür, dass sich alle so früh morgens Zeit genommen haben. Es ist 7:12 Uhr. Jetzt kann der Tag beginnen, denke ich, als wir zurück zum Motorrad gehen.

Sonntag, 23. November 2008

Wettbewerbsrichter

23.11.2008

"Blume oder Haus und Kuh? Ich entscheide mich für die Blume. Die anderen sind begeistert und stimmen mir zu."

Einmal im Jahr soll in Schulfest veranstaltet werden. Das Schuljahr endet gerade für die Erstklässler. Wir sind auf dem Weg in eines der umliegenden Dörfer. Fünf Klassen sollen sich heute hier treffen. Die Sonne scheint und es ist etwas wärmer als in den letzten Tagen. Die Reisfelder sind mittlerweile nicht mehr so grün, dennoch gibt der Dorfplatz eine schöne Atmosphäre. Wir kommen mit dem Motorrad an. Eltern und Lehrer sind noch mit dem Aufbau beschäftigt. Alles erstrahlt in bunten Farben. Alle Kinder sind auch schon da und ein paar Leute aus den umliegenden Dörfern tragen Bauchläden und verkaufen Nüsse und andere Süßigkeiten.

Unter einer bunten Plane wird ein langer Tisch aufgebaut. Dahinter Stühle, für geladene Gäste, Mitarbeiter und Lehrer. Neben dieser Bühne hat jede Klasse einen kleinen Stand, an dem die Schüler Gebasteltes und Tonarbeiten vorstellen. Der Platz füllt sich langsam. Immer mehr Menschen kommen und ich mir kommt es vor, als wäre dieses Schulfest eine richtige Großveranstaltung. Auch ich schlendere zwischen den Ständen umher. Mit ein paar Erdnüssen in der Hand sehe ich mir die vielen Arbeiten der Kinder an. Ich mache Bilder und unterhalte mich mit den Kindern und den Lehrern.

Aus einem großen Lautsprecher, der provisorisch in einem Baum auf gehangen wurde, schallt erst lautes Rauschen und dann eine Stimme. Die Kinder um mich herum bewegen sich auf die Bühne zu und setzten sich auf den Boden davor, der mit Planen bedeckt ist. Eine Lehrerin weist mir an mitzukommen. Ich werde auf einem der Stühle hinter dem langen Tisch gesetzt. Ein Mitarbeiter fängt wieder an über den Lautsprecher zu reden. Die Rede dauert einige Minuten. Alle Kinder hören gespannt zu und verfolgen das Ereignis unerwartet leise. Das Mikrophon wird weitergereicht. Diesmal ist die Rede etwas länger. Ich verstehe kaum ein Wort. Dann aber höre ich meinen Namen. Mein Kollege streckt mir das Mikrophon entgegen. „Sag irgendwas. Auch auf Englisch, wenn du willst.“ Etwas verdutzt überlege ich, was ich sagen könnte. Ich schüttele mir ein paar Worte aus dem Ärmel und hoffe damit meiner Aufgabe genüge zu tun, von der ich bis gerade noch nichts wusste.

Nach zwei weiteren Reden fängt das Fest nun endlich an. Mal-, Tanz- und Gesangswettbewerbe zwischen den Klassen bilden das Rahmenprogramm. Ich bin jetzt Wettkampfrichter. Auch das hat mir mein Kollege gerade erst gesagt. Gesagt, getan. Jede Vorführung wird bewertet. Komischerweise ist mein Favorit gleichzeitig der Favorit aller anderen Juroren. Die Kinder vor allem die Mädchen haben sich besondere Kleider angezogen oder sind geschminkt. Alle sind mit vollem Einsatz dabei und man sieht ihnen an, dass sie den Wettbewerb für sich entscheiden wollen.

Als letztes kommt der Malwettbewerb. Zehn Minuten hat jedes Kind, das mitmachen will. Die meisten Schüler malen ihr Zuhause oder die Umgebung. Vögel, Kühe, Ziegen und andere Tiere bilden sich ab. Die bengalische Fahne ist fast auch immer dabei. Ein paar Minuten später liegen alle Bilder auf dem langen Tisch. Alle beraten sich, aber unter den letzten zwei Bildern darf ich die große Entscheidung fällen. Nach bestem Gewissen wähle ich eins aus, um den Sieger zu bestimmen.

Mittwoch, 19. November 2008

Arbeitsmoral

19.11.2008

"Ich sitze wieder alleine vor meinem Laptop. In einer Stunde ist Feierabend. „Den Rest schaffe ich wohl nicht mehr.“, denke ich."

Die kurze Mittagspause nach dem Essen vergeht schneller als man denkt. Ich stehe auf. Ein Windstoß lässt mich erzittern. Die Sonne scheint zwar, aber die Temperaturen sind deutlich gesunken. Ich setze mich wieder auf den schmalen, grünen Plastikstuhl vor dem Schreibtisch. Ich schalte meinen Rechner ein. Mein Blick schweift über die vielen Zettel und Papierstapel vor mir. Ich überlege, womit ich beginnen soll. Nachdem ich meine E-Mails abgerufen habe, öffne ich den Schulbericht, der fast fertig ist. Ich beginne zu tippen.

Durch mein Fenster hat man einen guten Blick auf das Nachbargebäude. Erst gestern sind wieder 30 Leute angekommen, die hier zwei Tage lang geschult werden. Es wird laut. Stimmen sind zu hören und ich drehe mich um. Alle Teilnehmer stehen nun vor dem Gebäude, bekommen Tee und Kekse und gönnen sich eine Pause. Ein Kollege kommt in mein Zimmer und fragt, ob ich auch etwas möchte. Die Einladung auszuschlagen wäre unhöflich, also folge ich ihm nach draußen. „Schnell den Tee trinken und dann wieder an die Arbeit.“, sage ich mir. Zehn Minuten später bin ich wieder in meinem Zimmer. Um mich herum ein paar andere Leute, die mir gefolgt sind.

Interessiert beobachten alle, wie ich am Computer arbeite. Dann traut sich jemand und spricht. Ich lasse meine Arbeit wieder ruhen und beantworte die üblichen Fragen. Jetzt, da alle wissen, wie ich heiße, was ich mache, wo ich herkomme und was meine Eltern beruflich machen, kann ich mich wieder der Arbeit widmen. Bleibt nur noch eine Frage: „Wie funktioniert das? Kannst du mir das zeigen?“ Der Mann, vielleicht Ende zwanzig, meint den Laptop. Das Internet, Word, Excel, PowerPoint, einfach alles, was man machen kann. Er wüsste davon nichts und ich könne ihm das doch zeigen. Es dauert eine Weile, bis ich es schaffe ihm zu erklären, dass alles etwas komplexer ist, als er sich das vielleicht gerade vorstellt. Ich verspreche ihm, mir ein anderes Mal Zeit zu nehmen.

Die Leute verlassen mein Zimmer. Jeder bedankt sich mit einem Handschlag. Einige entschuldigen sich für die Störung und ich behaupte, sie hätten nicht gestört. Noch ein Photo als Erinnerung und ich bin wieder allein. Bald ist Feierabend.

Donnerstag, 13. November 2008

Schulbesuch

13.11.2008

"Es ist inzwischen Nachmittag. In zwei Stunden wird es dunkel und wir machen uns mit dem Motorrad wieder auf den Weg ins Büro."

Kühler Fahrtwind bläst mir ins Gesicht. Ich sitze auf dem Motorrad. Es ist früh morgens. Über holprige Straßen und Wege entfernen wir uns immer weiter von der Stadt. Die Sonne ist schon vor ein paar Stunden aufgegangen. Das warme Licht taucht die umliegenden Reisfelder in ein strahlendes Grün. Wir erreichen einen kleinen Ort. Die wenigen Steinhäuser stechen zwischen vielen Hütten aus Bambus und Wellblech heraus. Alle Gebäude stehen dicht an dicht. Obwohl es noch früh ist, sind bereits sehr viele Menschen unterwegs. Wir halten an einer kleinen Hütte. Drei Kessel stehen auf einem Lehmofen. Ich bestelle zwei „lal cha“. Ein einfacher Tisch aus Holz dient als Tresen. Der Mann dahinter fängt mit der Zubereitung an. Auf einer kleinen Bank vor dem Laden lassen wir uns nieder.

Fünf Minuten später geht es weiter. Nach ein paar Metern biegen wir von der Straße ab. Der Feldweg führt direkt an Eisenbahnschienen entlang. Die Fahrt mit dem Motorrad ist beschwerlich, dauert aber zum Glück nicht so lange. Wir halten wieder und ich steige ab. Ein paar Meter hinter den Schienen gehe ich einen kleinen Pfad entlang. Die Reisfelder neben mir führen so weit das Auge reicht. Der Weg mündet in einem Dorf. Die einfachen Hütten bestehen aus Lehm. Die meisten haben ein Wellblechdach. Zwischen ihnen stehen vereinzelt Kühe und Ziegen.

Ich erreiche das Schulgebäude. Wir betreten den einen Raum, aus dem die Schule besteht. Alle 30 Kinder stehen auf und begrüßen uns mit: „Nomoshkar!“ – der Begrüßung der Hindus. Der Lehrer steht vorne an der Tafel. Wir erwidern den Gruß und setzen uns auf den Boden, der mit Jutematten abgedeckt ist. Auch die Kinder setzen sich wieder. Die Kinder gucken mich mit neugierigen, großen Augen an. Alle fragen sich, was ich wohl hier mache. In einer Vorstellungsrunde soll sich das Geheimnis lüften. Die Schüler stehen einzeln auf und sagen ihren Namen und ihr Alter. Viele reden so schnell, dass ich kaum etwas verstehe. Die meisten sind schüchtern und wollen sich daher schnell wieder setzen. Jetzt stelle auch ich mich vor. Mein bengalischer Wortschatz reicht für die einfachen Sätze und die Kinder sind von meinem Können überrascht.

Ich begebe mich in den hinteren Teil des Klassenzimmers und setze mich zwischen zwei Schüler. Mein Kollege muss wieder fahren und wird mich erst mittags wieder abholen. In den nächsten Stunden verfolge ich den Unterricht. Neben Bengalisch, Mathe und Unweltkunde wird auch Englisch unterrichtet. Das bengalische Alphabet unterscheidet sich stark von unserem lateinischen. Die Erstklässler müssen beide lernen. Eine Schülerin liest laut einfache Wörter und Sätze vor. Die Antwort bildet ein Chor von Kinderrufen, die das Gelesene nachsprechen. Ich mache Bilder und Notizen in ein kleines Heft.

Es ist mittlerweile halb eins und die Schule ist vorbei. Ich begleite noch zwei Schüler zu ihrem Haus. Der Weg führt mich über schmale Pfade durch die grünen Reisfelder. Die Mittagssonne scheint und es ist heiß. Die Häuser der Familien bestehen aus einem einzigen Raum. Auf manchen Höfen findet sich ein Brunnen, eine Latrine muss von mehreren Familien geteilt werden. Zusammen mit meinem Kollegen, der inzwischen wieder gekommen ist, rede ich mit den Schülern. Sie erzählen mir, was sie werden wollen, welches Fach sie am liebsten mögen und was sie gerne Essen. Ich erfahre, was ihre Eltern beruflich machen und ob noch mehr Familienmitglieder in der Hütte wohnen. Die Mütter kümmern sich oft um den Haushalt und die meisten Väter sind Tagelöhner in der Feldarbeit. Mit einem täglichen Einkommen von etwa einem Euro haben die meisten Familien oft nicht genug Geld, um den täglichen Hunger zu stillen. „Besonders schlimm sind die Monate, in denen es keine Arbeit gibt“, erzählt mir der Vater eines Schulkindes.

Freitag, 7. November 2008

Toilettengang

07.11.2008

"Ich setze mich aufrecht hin. Ich habe ein kleines Problem mit meinem Kreislauf und muss abwarten, bis ich aufstehen kann. Ich will nur schnell auf Toilette."

Das Fieberthermometer piept. 39,4 °C. So ungefähr fühle ich mich auch. Ich schätze die Temperatur noch etwas höher, da ich das Thermometer nur unter der Zunge hatte. Wenn man sich zwei Tage nicht bewegt, ist selbst liegen anstrengend. Mein Laken und die beiden dünnen Decken sind mehr oder weniger verschwitzt. Die Zwei-Liter-Wasserflasche von heute morgen ist mittlerweile wieder fast leer. So viel Wasser habe ich an einem Tag schon lange nicht mehr getrunken. Ich fühle mich schlapp und nicht in der Lage irgendetwas zu tun. Aber das Fieber ist nicht das Schlimmste. Es kommt und geht.

Viel unangenehmer ist die Tatsache, dass ich mindestens dreimal in der Stunde auf Toilette muss. Die bengalischen Toiletten sind anders. Ein ovales Loch im Boden. An dem Rand jeweils zwei leichte Erhöhungen für die Füße. Ich muss mich nur hinhocken. Leichter gesagt als getan. Ich stehe auf und bewege mich Richtung Bad. Zum Glück habe ich Klopapier. Normalerweise müsste ich die kleine Kanne neben mir mit Wasser füllen und benutzen. Schnell spüle ich mit einem kleinen Eimer. Eine Spülung hätte die Sache zwar einfacher gemacht, aber man kann ja nicht alles haben. Ich wasche mir die Hände und lege mich wieder hin. Viel länger hätte ich es auch nicht ausgehalten.

Im Bett angekommen, merke ich wie die Bettdecke an mir klebt. Ich nehme noch einen großen Schluck Wasser, bevor ich mich auf die Seite drehe. Kaum habe ich die Augen geschlossen, grummelt mein Magen erneut. Also wieder ins Bad.