Herzlich Willkommen auf meinem Blog!


Diese Seite soll mir helfen Euch meine Erfahrungen, meine Eindrücke und meinen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Bangladesch näher zu bringen.

Von September 2008 bis August 2009 arbeite ich zusammen mit NETZ Bangladesch bei der Entwicklungsorganisation Ashrai. In dieser Zeit bin ich in einem Grundbildungsprogramm in der Region um Joypurhat tätig.

Nähere Infos zu dem Projekt findet Ihr "hier".

Ich werde mich bemühen regelmäßig aus Bangladesch zu berichten. Ihr habt zu jedem Post die Möglichkeit Kommentare abzugegen. Solange nicht anders gewünscht, werde ich die Kommentare nach einer Prüfung meinerseits veröffentlichen. Gerne dürft Ihr mir auch auch E-Mails schreiben oder mich auf eine andere Weise kontaktieren.


Peter


Dienstag, 28. Juli 2009

Wandel in Bangladesch

Dies ist ein vorerst letzter Beitrag von mir aus Bangladesch, aber es ist mit Sicherheit nicht die letzte Geschichte, die ich erzählen werde.

Ich hoffe, dass ihr mich so besser wiedererkennen könnt.

Grüße aus Bangladesch

Peter

Trübselige Freude

28.07.2009

"Ich stehe vor meinem Gepäck und denke an die letzten Monate. Ich denke an viele Sachen, auf die ich verzichten musste, und an viele Dinge, die ich nun vermissen werde."

Ich werde die tägliche Portion Reis vermissen, die oft morgens so scharf ist, dass nur der Hunger es hinein treiben kann. Ich werde die Menschen vermissen, die oft so hilfsbereit und gastfreundlich sind, wie ich es bisher nirgends erlebt habe. Ich werde den Tee vermissen, den ich fast jeden Tag für zwei Cent an einer kleinen kaputten Hütte getrunken habe. Ich werde die Süßigkeiten vermissen, von denen man nicht mehr als zwei essen kann, bevor einem schlecht wird. Ich werde es vermissen, erst um 23 Uhr Abend zu essen. Ich werde die Saris und Lungis vermissen, die Europäer nicht tragen können, weil es an ihnen nicht gut aussieht.

Ich werde es vermissen, von Leuten immer und überall angestarrt zu werden. Ich werde es vermissen, eine besondere Stellung in der Gesellschaft zu haben. Ich werde den Nervenkitzel vermissen, in Dhaka eine Straße zu überqueren. Ich werde es vermissen, mit der Rickshaw zu fahren. Ich werde vermissen, eine Haushälterin zu haben, die keine Rücksicht auf Privatsphäre nimmt. Ich werde die Reisfelder vermissen, die so schön grün sind. Ich werde den Smog in Dhaka vermissen, der einen nach einer Stunde Stau fast umbringt. Ich werde die Hitze vermissen. Ich werde Ventilatoren und Klimaanlagen vermissen. Ich werde den verrückten Verkehr vermissen.

Ich werde den Muezzin vermissen, der fünfmal am Tag ruft. Ich werde die Stromausfälle vermissen, die einem die Tagesplanung immer kaputt machen. Ich werde vermissen, kein Toilettenpapier im Bad zu haben. Ich werde vermissen, mit der rechten Hand zu essen, die linke benutzt man für andere Dinge. Ich werde das Mückennetz vermissen, ohne das man nicht überleben könnte. Ich werde die Bettler vermissen, für die man so wenig tun kann. Ich werde das Feilschen auf dem Markt vermissen – jeder Cent weniger ist ein Gewinn. Ich werde es vermissen, von den CNG-Fahrern ausgenommen zu werden. Ich werde die Menschenmassen vermissen.

Ich werde Bangladesch schon ein wenig vermissen.

Mittwoch, 8. April 2009

Arbeitssommer

08.04.2009

"Wieder frisch komme ich aus der Dusche. Als ich mich abtrockne, fange ich wieder an zu schwitzen."

Ich war jetzt schon einige Male mit meinem Fahrrad alleine an einer Schule. Heute hat es mich allerdings 15 Kilometer in nördlicher Richtung verschlagen. Es ist kurz nach ein Uhr mittags, als ich das Dorf verlasse. In den letzten zwei Wochen sind die Temperaturen wieder so hoch angestiegen, dass es selbst den deutschen Hochsommer übertrifft. Das lässt die Mittagssonne mich jetzt spüren. Ich will so schnell es geht wieder zurück ins Büro. Endlich duschen. Der Fahrtwind kühlt mich ab. Die meiste Zeit geht es über befestigte Straße und ich komme gut voran. 45 Minuten später bin ich endlich angekommen. Ich merke wie der Schweiß anfängt aus allen Poren meiner Haut zu rinnen. Der kühle Fahrtwind hat seine Arbeit getan. Erst jetzt spüre ich, dass mein Gesicht glüht. Während des Fahrens habe ich nicht gemerkt, wie sich der Sonnenbrand langsam über mein Gesicht verteilt.

Ich steige von meinem Rad und trinke die halbvolle 2-Liter-Wasserflasche in einem Zug leer. Die ungewohnte Tour macht sich schon jetzt in meinen Knochen bemerkbar. Auf den Muskelkater kann ich mich jetzt schon freuen, denke ich, als ich zum Waschbecken wanke und mir Wasser ins Gesicht spritze. Als meine Atmung sich wieder beruhigt, steige ich die Treppen hoch bis in den dritten Stock und schließe die Tür auf. Ich mache sie direkt hinter mir zu und lasse meine Tasche auf dem Bett nieder. Innerhalb der nächsten Schritte ziehe ich meine Hose und mein T-Shirt aus. Dann stelle ich den Ventilator auf die höchste Stufe und stehe eine gefühlte Stunde davor. Irgendwann bewege ich mich dann doch zur Dusche.

Endlich, denke ich noch, als ich die Dusche anmache. Doch aus der Leitung kommt nur heißes Wasser. Die erhoffte Erfrischung bleibt aus. Trotzdem höre ich auf zu schwitzen und bleibe solange unter dem Strahl bis meine Füße und Hände anfangen aufzuweichen. Doch das Wetter meint es nicht gut mit mir. Während ich mich abtrockne, kommt der Schweiß zurück. Mit meinem Handtuch kämpfe ich dagegen an. Ich gebe auf und lege mich auf mein Bett. Es vergeht keine Minute, da schießt es mir durch den Kopf: „Du musst noch Wäsche waschen.“ Ohne Waschmaschine muss ich wohl per Hand waschen. Das bedeutet wieder Arbeit und wieder schwitzen.

Donnerstag, 2. April 2009

Sturmlicht

02.04.2009

"Jetzt fängt es an zu regnen. Also wieder zurück ins Haus, vielleicht kommt der Strom ja bald wieder."

Es ist abends. Ich habe gerade gegessen und sitze nun vor meinem Computer. Der Ventilator brummt im Hintergrund und übertönt fast die Musik, die ich auf volle Lautstärke gedreht habe. Es ist trotzdem ziemlich warm. Den ganzen Tag schien die Sonne und hat meine Wohnung aufgeheizt. Plötzlich schlägt eine der Türen zu. Wie aus dem nichts stürmt es. Die Fenster klappern. Ich schließe sie. Als ich fertig bin fällt der Strom aus. Es ist dunkel und heiß. Ohne Ventilator bleibe ich nicht lange in meinem Zimmer. Da ich um diese Uhrzeit nichts mehr machen kann, vor allem wenn der Strom abgeschaltet ist, trabe ich ein Stockwerk höher. Das Flachdach. Der Sturm ist im vollen Gange. Die frische Luft tut gut.

Blitze erhellen den Himmel rot und Donner schallt von allen Seiten. Der Wind wird stärker und ich muss aufpassen, nicht vom Dach zu fallen. Die Palmen biegen sich in alle Richtungen. Ich genieße die natürlichen Eindrücke. Das Sausen des Windes. Das rot-weiße Licht der Blitze. Den Donner. Alles scheint weit weg zu sein, obwohl es laut ist. Die dunklen Wolken ziehen über den Himmel. Der plötzlich einsetzende Regen zerstört die Atmosphäre ein wenig. Ich stelle mich in den Aufgang zum Dach. Missmutig schreite ich wieder eine Etage tiefer. Es war gerade so gemütlich.

Donnerstag, 26. März 2009

Reisunfall

26.03.2009

"Die Sonne kommt hinter den Wolken her. Bald bin ich wieder trocken."

Morgens geht es los. Das Motorrad läuft schon, als ich mich hinter meinen Kollegen setze. Der Himmel ist grau und es ist nicht besonders warm. Immer noch besser als brüllende Hitze. Wir fahren los. Jetzt ist es doch ein wenig frisch, aber so lange sind wir nicht unterwegs. Nach zwanzig Minuten erreichen wir unser erstes Ziel. Es ist eine kleine Veranstaltung geplant, bei der Leute aus verschiedenen Dörfern teilnehmen sollen. Die Leute sind mehr oder weniger schnell zusammen getrommelt. Während sich die Gruppe zu Fuß auf den Weg macht, fahren wir mit dem Motorrad ins nächste Dorf. Regen setzt ein. Aus dem leichten Schauer wird ein starker Guss. Wir stellen uns bei einem Haus unter, das auf dem Weg liegt.

Die Minuten vergehen und es scheint kein Ende in Sicht. Die Leute aus dem ersten Dorf holen uns ein und warten mit uns unter der kleinen Veranda. Mein Kollege wird ungeduldig. Es sieht so aus, als würde die Veranstaltung später anfangen. Langsam aber sicher wird der Regen weniger. Gerade zur rechten Zeit. Um nicht noch weitere Minuten verstreichen zu lassen, machen wir uns wieder auf den Weg. Ein paar Dörfer weiter ist es geschafft. Alle Teilnehmer sind unterwegs zum Veranstaltungsort. Jetzt nur noch mit dem Motorrad zurück durch die Felder, um auf die Hauptsraße zu gelangen. Von dort aus sind es nur noch ein paar Meter.

Der schmale Pfad zwischen den Reisfeldern wurde durch den Regen aufgeweicht. Es nieselt ein wenig. Behutsam fährt mein Kollege den engen Weg entlang. Die Straße liegt nun fast direkt vor uns. Dann geht es ganz schnell. Das Hinterrad rutscht weg. Ich verliere das Gleichgewicht und versuche mich von dem Motorrad wegzustoßen. Erfolglos. Mit der Seite lande ich im Reisfeld. Meine linke Hand konnte sich gerade noch auf dem Boden abstützen. Das Schlimmste konnte ich verhindern. Trotzdem hat es ganz schön gespritzt. Meine Jeans ist voller Schlamm mein linker Arm auch. Meine Tasche halte ich etwas unfreiwillig triumphierend in die Höhe. Ich schaue auf meinen Kollegen. Ihm ist es etwas schlechter ergangen. Ihn hat das Motorrad voll erwischt. Ich mache einen Schritt in seine Richtung und stemme das Gefährt hoch. Etwas unwohl richtet er sich auf. Verletzungen hat er keine, aber sein ganzer Oberkörper ist voll mit Schlamm. Was für ein Tag. Er flucht. Wir schieben das Motorrad zur Straße. Es springt nicht an.

Es hat aufgehört zu Regen. Die Wolken schieben sich an die Seite. Warme Sonnenstrahlen blenden uns. Welch Ironie.

Montag, 16. März 2009

Umzugslaune

16.03.2009

"Ich lege mich auf den Boden und genieße die Musik, die aus meinem Laptop tönt."

Mit vollen Taschen betrete ich das Büro. Etwas erschöpft komme ich im dritten Stock des Gebäudes an. Ein dickes Schloss hängt an der Tür zur rechten Seite. Mit einer Hand krame ich in meiner Tasche bis ich den Schüsselbund gefunden habe. Die Tür knackt, als ich sie aufschiebe. Ich stelle meine Einkäufe neben das voll gepackte Bett. Der leere Tisch im großen Raum nebenan lässt diesen karg aussehen. Aus meiner Tasche nehme ich die beiden Jutematten und beginne damit sie auszulegen. Eine unter den Tisch, die andere daneben.

Zufrieden betrachte ich das Ergebnis, als ein Kollege hereinkommt und mir sagt, dass sie noch einen Ventilator hätten. Kurze Zeit später schmückt auch dieser mein neues Wohnzimmer. Langsam aber sicher füllt sich der Raum. Es dauert ein paar Minuten, bis ich alle meine Sachen von dem Bett in dem Raum verteilt habe. Nach ein wenig hin und her ist es geschafft. Das Viertel des Raumes sieht gemütlich aus. Kurz denke ich darüber nach, ob man hier wohl Billardtische kaufen kann – für drei Tische hätte ich noch locker Platz.

Es wird langsam dunkel. Zum Glück habe ich an die Glühbirnen gedacht, die ich spätestens in der nächsten halben Stunde brauchen werde. Eine ins Schlafzimmer, eine ins Bad und eine ins Wohnzimmer. Das Glück scheint mich wieder verlassen zu haben, als die Glühbirne in Bad sofort durchbrennt, als ich sie einschalte. Als morgen noch mal los, denke ich etwas missmutig. Trotzdem bin ich zufrieden. Alles von unten in den vierten Stock zu tragen und alles einzukaufen, was ich noch brauchte, hat den ganzen Tag verschlungen. Mittlerweile ist es 18:34 Uhr. Ich entspanne ein wenig, mache Musik an und lege mich auf meinen neuen Teppich. Gerade als ich mich hinlege, fällt der Strom aus.

Dienstag, 10. März 2009

Schwarzfuß

10.03.2009

"Ein schwarzes Rinnsal bewegt sich auf den Abfluss zu. Eine halbe Stunde Verkehr in Dhaka scheint nicht gerade sauber zu sein."

Im Büro mit der Arbeit fertig muss ich wieder zurück ins Guesthouse. Es ist warm. Ich brauche eine ganze Weile, bis ich eine CNG finde, die die Strecke zu einem vernünftigen Preis fährt. Das ist gerade als Ausländer nicht immer einfach. Ständig den doppelten oder dreifachen Preis zu zahlen, sehe ich ganz bestimmt nicht ein. Wir fahren los. Ich sitze auf der Rückbank. Durch die offenen Seiten weht mir Fahrtwind entgegen. Als wir auf eine der Hauptstraßen abbiegen, stehen wir auch schon im Stau. Busse, Autos und andere Fahrzeuge stehen dicht neben unserem kleinen Gefährt. Wärme macht sich breit. Die Abgase sind nicht gerade erfrischend. Ich halte mir ein Stück meines T-Shirts vor den Mund und hoffe so, die Luft wenigstens etwas filtern zu können.

Das Fahrzeug bewegt sich wieder. Busse überholen uns und lassen eine schwarze Qualmschwade hinter sich. Staub wird aufgewühlt und mir ins Gesicht geblasen. Ich fühle mich dreckig. Glücklicherweise bleiben weitere Staus aus und es dauert nur zwanzig weitere Minuten, bis ich aussteige und den Fahrer bezahlen kann. So schnell es geht steige ich die Treppen hinauf. Im dritten Stock angekommen, wasche ich mir erst einmal mein Gesicht, meine Arme und meinen Nacken. Dann die Sandalen aus und Füße unter den Wasserhahn. Noch bevor ich den Hahn aufdrehe, zeichnet sich ein deutlicher Unterschied auf meinen Füßen ab. Die Stellen, an denen die Sandalen waren haben mehr oder weniger meine Hautfarbe. Die offenen Stellen hingegen sind eher schwarz.

Montag, 2. März 2009

Kartoffelstau

02.03.2009

"Es geht weiter und ich verstehe immer noch nicht ganz, wie so ein Stau mitten im Nirgendwo entstehen kann."

Ich sitze im Bus. Es geht mal wieder nach Dhaka. Die Sonne scheint, es ist nicht zu warm und insgesamt ein sehr schöner Tag. Die Landschaft zieht and mir vorbei und Musik rauscht in meinen Ohren. Ich schließe die Augen und hoffe, dass die sechs Stunden Busfahrt schnell vergehen. Als der Wagen langsamer wird und plötzlich anhält, schlage ich meine Augen wieder auf. Ich halte meinen Kopf aus dem Fenster, um suche nach dem Grund der Unterbrechung. Neben dem Bus entdecke ich eine Reihe von Rickshaws, die ebenfalls im Stau stehen. Lautes Gehupe schallt von allen Seiten.

Das Ende des Staus ist nicht in Sicht. Er ist zu lang. „Vermutlich ein Unfall“, denke ich. Unfälle im Straßenverkehr stehen an der Tagesordnung. Mir ist zum Glück noch keiner passiert. Allerdings denke ich bei jeder Busfahrt darüber nach und rede mir letzten Endes ein: „Die wissen schon, was sie machen.“ Das Dröhnen der Hupen wird lauter. Doch es geht nicht vorwärts. Da nützen auch die Flüche des Fahrers nichts. Die Leidtragenden sind die Rickshaw-Fahrer, die von allen Seiten angemeckert werden. Dass die Straße viel zu klein für alle ist, scheint niemanden bewusst zu sein.

Alle paar Minuten bewegen wir uns ein paar Meter weiter. Nach mehr als einer halben Stunde, wird die Ursache des Staus deutlich. Kartoffeln. Aus einem mir unbekannten Grund wurde anscheinend die gesamte Kartoffelernte der Region auf einem winzigen Markt zusammengetragen. Berge über Berge warten auf ihren Abtransport. Die im Stau stehenden Rickshaws bringen weitere Säcke. Große Laster werden mitten auf der Straße beladen und blockieren somit natürlich alles. Langsam quetscht sich der Bus an den Kartoffelbergen vorbei. Irgendwann ist es geschafft. Die Fahrt darf weiter gehen. Nur noch fünf Stunden.

Freitag, 27. Februar 2009

Massengrab

27.02.2009

"Es ist oft unverständlich, wie grausam Menschen sein können, um nichtige Ziele zu erreichen. Ein Ereignis, das zumindest von mir nicht so schnell vergessen wird."

25. Februar: In den Nachrichten wird von einem Aufstand der Bangladesh Rifles (BDR) gesprochen. Sie halten ranghohe Offiziere des Militärs fest, denen sie eigentlich unterstehen. Es ist unklar, welches Ziel sie damit verfolgen. Das Gerücht eines Putschversuches verbreitet sich, bis deutlich wird, dass sie vor allem eine Verbesserung ihrer Lage fordern. Geringes Gehalt und weniger Privilegien gerade dem Militär und den anderen bewaffneten Einheiten Bangladeschs gegenüber sind die Ursache. Ausgangsort ist Dhaka, doch auch in den Provinzen folgen die Einheiten der Masse, halten Offiziere fest und sperren Straßen. Am frühen Nachmittag höre ich deutlich mehrere Schüsse in Joypurhat. Warnschüsse der BDR. Vor zwei Tagen bin ich noch an dem Stützpunkt der Grenzpatrouille vorbei gefahren. Jetzt ist das nicht mehr möglich. Von Kollegen höre ich, dass es ein Gerücht über drei tote Militärs in Joypurhat gibt. Das Mobilnetz ist schon seit heute Morgen außer Betrieb. Erst jetzt am Nachmittag habe ich die Möglichkeit mich mit anderen Leuten auszutauschen. Die Premierministerin hat Verhandlungen aufgenommen und bereits Straferlass für die vorgefallenen Aktionen zugesagt.

26. Februar: Auf die wenig erfolgreichen Verhandlungen lässt die Regierung Taten sprechen. Ich werde informiert, dass die Armee mit Panzern durch die Innenstadt Dhakas fährt. Sie umstellen das Hauptquartier der BDR, dessen Großraum kurzfristig evakuiert wurde. Später sehe ich auch Bilder im Fernsehen. Dort wird bereits jetzt von einigen Toten gesprochen. Ein paar Offiziere und Generäle konnten fliehen, aber ein Großteil wird vermisst. Die Zahlen sind unklar. Auch ist nicht abzusehen, wie sich die Lage entwickelt. Mit meinen Kollegen verfolge ich das Geschehen im Fernsehen. Als es sich abzeichnet, dass die BDR aufgeben, herrscht Erleichterung. Ein Waffengefecht mitten in Dhaka wäre unvorstellbar. In Joypurhat beruhigt sich die Lage.

27 Februar: Im Hauptquartier werden Massengräber gefunden. Man spricht mittlerweile von über 100 Toten. Die Leichen wurden teilweise verstümmelt und unter anderem in der Kanalisation versteckt. Die Regierung befindet sich in einem Dilemma. Sie hat zum einen Straferlass versprochen und dem Druck nach Gehaltserhöhungen nachgegeben, aber zum anderen kann man Mörder nicht straflos laufen lassen. Die Premierministerin kündigt ein Sondertribunal an, das die Verantwortlichen und Hintermänner zur Rechenschaft ziehen soll. Es soll nicht der Regierung unterstehen, sondern vom Militär selbst geführt werden. Die neu gewählte Regierung kann ihre Autorität damit nicht gerade unter Beweis stellen. Der Vorfall hat die gesamte Bevölkerung geschockt. Es werden drei Tage nationale Trauer angesetzt.

Ich sitze wieder vor dem Fernseher. Auf allen Kanälen werden die Namen der Verstorbenen eingeblendet. Immer wieder wird die Liste durch neue Namen ergänzt. Bilder der Offiziere werden gezeigt. Familienangehörige brechen vor den Kameras in Tränen aus. Augenzeugen berichten. Es ist ein schreckliches Schauspiel. Mir kommt es einfach nicht in den Kopf, wie eine ganze militärische Abteilung blind den Anweisungen folgt und ein Massaker am eigenen Volk anrichtet.

Die Bilder habe ich ein paar Tage später vor dem Hauptquartier der BDR in Dhaka geschossen.

Samstag, 21. Februar 2009

Muttersprache

21.02.2009

"Die Sprache ist das allerhöchste Gut. Dementsprechend sollte es auch gewürdigt werden."

Die Sonne ist noch nicht ganz aufgegangen und schon klopft es an meinem Fenster. Es ist der 21. Februar. Internationaler Tag der Muttersprache. Vor 57 Jahren erklärte die pakistanische Regierung Urdu zur alleinigen Amtssprache. Bangladesch war damals ein Teil von Pakistan. Am 21. Februar kam es zu Protesten in Dhaka. Gegen den Entschluss der Regierung und für die Muttersprache Bangladeschs. Bei den Demonstrationen gab es Tote. Seit der Unabhängigkeit Bangladeschs wird dieser Tag nun gefeiert. Zu Ehren und Gedenken der Märtyrer und zur Erinnerung an den Kampf für die eigene Sprache. Seit 2000 ist es ein offizieller von der UNESCO anerkannter Gedenktag.

Meinen Kollegen muss ich erst einmal erklären, dass wir diesen Tag nicht feiern und dass ich vorher noch nie etwas davon gehört habe. Diese sind daraufhin ein wenig pikiert und belehren mich nochmals, dass es doch ein internationaler Feiertag sei. Dass ich ihrer Tradition trotzdem folge, freut sie wieder und der Missmut über meine Unwissenheit ist schnell vergessen. Doch jetzt muss es schnell gehen. Wir wollen schließlich nicht die letzten sein, die beim Denkmal in der Stadt eintrudeln. Zur Tradition gehört es ein Bouquet vor das Denkmal zu legen. Da ich am meisten Geld für die Blumen ausgegeben habe, wird mein Name als erstes auf dem Arrangement genannt.

Nur fährt man nicht einfach zum Denkmal, nein, man läuft. Barfuß. Von unserem Büro aus wandern wir also los. Es ist früh morgens, die Sonne geht gerade auf und der Boden ist kalt. Winter in Bangladesch. Die einzige Lösung gegen die Kälte heißt: schneller Laufen. Unterwegs begegnen uns viele andere Gruppen. Schulklassen, Mitarbeiter anderer Organisationen und Familien, die sich mit ihrem Blumenarrangement auf den Weg gemacht haben. Glücklicherweise ist der Weg nicht allzu weit, so dass wir nach kurzer Zeit das Denkmal erreichen. Wir sind nicht die ersten und so ist das Denkmal bereits mit Blumen gefüllt. Ehrwürdig steigen wir die Stufen hinauf und platzieren unseren Strauß. Auf der anderen Seite geht es wieder hinunter. Und so schnell wie wir gekommen sind, machen wir uns auch schon wieder auf den Weg zurück zum Büro. Erst frühstücken und dann noch ein wenig schlafen.

Freitag, 13. Februar 2009

Neurad

13.02.2009

"Endlich unabhängig. Endlich wieder ein bisschen Bewegung. Endlich Fahrrad."

Ich muss mich mit meinen Kollegen abstimmen, wenn ich in die Dörfer fahre um zu arbeiten. Am nächsten Tag stelle ich dann meistens fest, dass die Pläne geändert wurden und es nicht so klappt, wie ich es eigentlich geplant hatte. Dabei geht viel Zeit verloren und ich muss mir überlegen, was ich in der Zwischenzeit mache. Die Lösung schwebt mir schon lange im Kopf. Aber auch das braucht Zeit, wie alles in Bangladesch. Heute lasse ich mich nicht von meinem Plan abbringen. Ein Fahrrad muss her. Nach der Arbeit also auf den Markt.

Wie ein Wunder kommt diesmal nichts dazwischen. Eine Reihe von Fahrradläden liegt vor uns. Jeder Laden muss sich natürlich angeguckt werden. Vielleicht kann man ja ein bisschen Geld sparen. Welches Fahrrad ich kaufen werde, ist auch noch nicht geklärt. Fahrradshopping. „Der Ausländer braucht ein gutes Fahrrad“, mit diesem Satz geht es von Laden zu Laden. Mir ist nur wichtig, dass das Rad eine große Klingel und gute Bremsen hat. Doch die Auswahl ist sehr begrenzt. Alle Räder mit mehreren Gängen sagen mir nicht wirklich zu, vor allem weil sie viel zu klein sind. Meine Wahl fällt letztendlich auf das Modell, welches die meisten Bengalen besitzen. Ein Fahrrad chinesischer Art. Ein Gang, keine Rücktrittbremse und eine laute Klingel.

Auf dem neuen Rad geht es auch gleich zurück ins Büro. Unterwegs stelle ich fest, dass die Bremsen noch nicht angezogen sind. Licht hat das Fahrrad auch nicht. Aber nachts will ich ja auch gar nicht fahren. Im Büro wird das Rad erst einmal gesäubert und von oben bis unten geputzt. Ich schraube es einmal komplett auseinander, um sicher zu gehen, dass alles funktioniert. Blitz und blank findet es in meinem Zimmer Platz. Am nächsten Morgen geht es zu einem kleinen Fahrradladen ein paar Meter vom Büro entfernt. Die Reifen werden ordentlich aufgepumpt und die Bremsen werden so fest es geht angezogen. Aus dem benachbarten Laden kommt ein Maler mit mir ins Büro. Auf das Rückblech malt er in schwarzen Lettern „Volunteer“.

Ich bin also endlich stolzer Besitzer eines Fahrrades. Als solcher muss ich süßes Essen ausgeben. Bei jeder größeren Neuanschaffung ist dies eine nette Geste. Bengalische Tradition. Und ich freue mich jetzt schon auf den ersten Einsatz.

Samstag, 7. Februar 2009

Geburtstagsmahl

07.02.2009

"Geburtstag gut überstanden. Mit viel Essen, tollen Geschenken und etwas anderen Traditionen."

Ein bengalischer Geburtstag. Das wird mit Sicherheit interessant. Doch schon meine Gästeliste fällt sehr unbengalisch aus. Normalerweise sollte ich die Leute mit den höheren Positionen im Management meiner Organisation einladen. Davon halte ich allerdings nicht sehr viel und ich lade lieber diejenigen ein, die ich mag. So kommen heute nicht nur drei Kollegen, sondern auch die Hausangestellten, der Koch, der Nachtwächter und der Ladenbesitzer von gegenüber. Das Geburtstagsmenü ist wiederum ganz bengalisch. Es gibt nur das Beste der bengalischen Küche. Polau, eine besondere, mit vielen Gewürzen zubereitete Form von Reis, darf dabei nicht fehlen. Außerdem gibt es Ziegenfleisch, einen teuren Fisch, verschiedenes Gemüse, Salat und natürlich reichlich Nachtisch. Doi und Rosho Golla, zwei regional hergestellte Süßigkeiten.

Die Gäste kommen natürlich größtenteils zu spät. Aber das ist ja auch in anderen Ländern nicht unüblich. Dass ich sie, ohne mich mit meinen Gästen zu unterhalten, warten lasse, entspricht meiner Gastgeberrolle in Bangladesch. Als alle da sind, gibt es Kekse und Äpfel als kleinen Snack vor dem großen Essen. Wieder dürfen meine Gäste warten, ich bleibe in der Küche und sehe zu, dass alles nach Plan läuft. Es vergeht fast eine Stunde, bis ich mich selbst zu meinen Gästen setze. Jetzt kommt die Geburtstagstorte, die mir die Hausangestellten schenken. Ein einziger Klotz aus Zucker. „Happy Birthday to Petar“, prangt auf dem Klotz. Beim Anschneiden muss mir natürlich geholfen werden. Mein Kollege mit der höchsten Stellung führt meine Hand. Ihm gebührt auch die Ehre mich als erstes zu füttern. Ich gebe jedem ein Stück Torte. Mir allerdings gehört immer der erste Biss. Bis ich mein eigenes Stück bekomme, habe ich schon mindestens fünf gegessen.

Nach der Torte bekomme ich auch Geschenke. Neben einigen Geburtstagskarten, einem Block samt Stift und Shampoo, werden mir auch etwas bengalischere Dinge Geschenk. Aus einer kleinen Schachtel hole ich einen matten Glaszylinder mit Rosenmuster und einem runden, goldenen Knauf als Deckel. Als ich die Flasche öffne, muss das Parfüm natürlich gleich an mir getestet werden und ich werde von oben bis unten eingesprüht. Ein etwas stechender Geruch schleicht sich in meine Nase. Ich bedanke mich und öffne ein weiteres Päckchen. Eine kleine Schneekugel kommt zum Vorschein. Die Kugel steht auf einem Geburtstagstortenpodest mit einem „Happy Birthday“-Schriftzug. Zu meiner Verwirrung befindet sich in ihrem Inneren ein Brautpaar. Mein Favorit ist das letzte Geschenk, das ich bekomme. Eine Uhr in Gitarrenform. Der blaue Körper der Gitarre glitzert und sogar die Saiten lassen sich zupfen.

Nun soll es aber endlich Essen geben. Obwohl es viel zu viel ist und jeder mehr als genug bekommt essen alle auf und bekommen noch Nachschlag. Als alle fertig sind, esse ich immer noch. Nicht weil ich wesentlich mehr hatte, sondern aus dem einfachen Grund, dass Bengalen wesentlich schneller essen. Nachdem Nachtisch gibt es noch Tee. Dann sind alle schnell verschwunden. Auch so eine bengalische Angewohnheit. Da die Hausangestellten, der Koch und der Nachtwächter im Büro bleiben, machen wir uns noch einen schönen Abend und lassen den Geburtstag mit Musik, Tanz und Alkohol ausklingen.

Samstag, 31. Januar 2009

Weisheitsgöttin

31.01.2009

"Hätte ich gewusst, dass aus dem geplanten Morgenausflug ein ganzer Tagesausflug wird, wäre ich vielleicht nicht mitgekommen."

Der Nachtwächter klopft ein mein Fenster. Ich öffne und wir unterhalten uns eine Weile. Bevor ich mich von ihm zum Schlafen verabschiede, lädt er mich ein. „Morgen feiern wir eine große Puja. Willst du mit?“, fragt er mich und freut sich dann, als ich zustimme. Es ist sieben Uhr morgens, als es wieder an mein Fenster klopft. Ich wache auf und öffne etwas verschlafen. Ich soll mich beeilen, es ginge gleich los. Also dusche ich mich schnell, ziehe mich an und frühstücke. Zwanzig Minuten später stehe ich startbereit vor dem Büro. Und wie versprochen geht es auch schon los. Das Dorf des Nachtwächters erreiche ich mit der Rickshaw in knapp einer halben Stunde. Er fährt mit dem Fahrrad nebenher. Es ist ein kühler und etwas nebeliger Morgen.

Die Rickshaw hält an der Hauptstraße an. Den Rest gehe ich zu Fuß. Wie versprochen kommen wir auch schon an den ersten Altären vorbei. Ich lasse mir erklären, dass heute zur Göttin der Weisheit gebetet wird. Große Trommeln geben den Takt der Gebete an. Wir beobachten die Szene eine Weile und gehen dann zu seinem Haus. Es ist ein kleines Häuschen aus Lehm mit einem Raum und einer kleinen überdachten Veranda. Das Dach besteht aus Stroh. Seine Frau bereitet gerade den Eingang des Hauses vor. Mit weißer und roter Farbe malt sie Fußspuren vom Altar in ihr Haus, damit die Göttin den Weg findet. Auf dem kleinen Altar vor dem Haus stapeln sich die Schulbücher der jüngsten Tochter. Die Göttin soll ihr zu guten Ergebnissen in der Schule verhelfen.

So wie die Familie des Nachtwächters haben auch die meisten anderen Familien in dem kleinen Dorf einen Altar mit Büchern aufgebaut. Die Lehmwände der Häuser sind bunt verziert und wer es sich leisten kann, hat sogar eine Statue der Göttin. Ich werde an einen großen Platz etwas abseits des Dorfes geführt. Hier soll später das eigentliche Fest stattfinden. Das ganze Dorf hat eine große Statue beschafft. Neben dem Altar ist eine Kochstelle. Das Essen wird erst als Opfergabe vor den Altar gelegt und später von allen gemeinsam gegessen. Doch bis dahin dauert es noch eine Weile. Es sieht ganz danach aus, dass die Zeremonie wohl erst nach dem Mittagessen anfängt. Bis dahin wollte ich eigentlich schon wieder im Büro sein.

Es gibt erst einmal Mittagessen. Zusammen mit dem Nachtwächter esse ich Reis und Fisch. Frau und Kinder müssen warten bis wir fertig sind. Nach dem Essen bietet er mir an, mich ein wenig auszuruhen. Er müsse noch einige Sachen erledigen und das Fest beginnt so wie so später. Also nehme ich auch dieses Angebot dankend an und lege mich auf das einzige Bett der Familie und döse. Als ich wieder aufwache ist es schon fast dunkel. Aber es dauert noch ein paar Minuten, bis der Nachtwächter wiederkommt. Nun geht es endlich zur großen Feier. Und in der Tat haben sich viele Menschen des Dorfes dort versammelt, wo vor ein paar Stunden nur wenige das Fest vorbereitet hatten. Mit lauter Musik und großem Tanz schreitet das Fest voran. Als auch ich aufgefordert werde zu tanzen und der Bitte nachkomme, scheint die Puja ein voller Erfolg zu sein.

Freitag, 23. Januar 2009

Regenschirm und Kokosnuss

23.01.2009

"Es wurde schon wieder gewählt. Diesmal wurden die regionalen Wahlen entschieden."

Schon seit den letzten Wochen flattern überall die schwarz-weißen Plakate. Alle sehen irgendwie gleich aus. Der Name des Kandidaten steht in großen Lettern auf dem Papier sowie der Posten, für den er gewählt werden möchte. Nicht vergessen werden darf das Symbol, das den Kandidaten eigentlich erst bekannt macht. Die Ideen der Werbenden scheint keine Grenzen zu haben. Der eine gibt sich mit einer Ziege zufrieden, für den anderen muss es ein Düsenjet sein. Kokosnuss, Cola-Flasche, Tintenfass, Palme, Ente, Koran, Regenschirm, Bus und Krähe treten auch zum Start an. Viele Menschen gerade in den ländlichen Regionen sind Analphabeten. Die Symbole sind daher die einfachste Lösung, um eine Wahl möglich zu machen, da sie auf den Wahllisten ebenfalls abgedruckt werden.

Es wird ein harter Wahlkampf geführt. Jeden Tag, jede Stunde gibt es eine Kolonne von Rickshaws, die über Megaphone das jeweilige Symbol verkündet, das gewählt werden soll. Auf, neben und unter den Rickshaws die Menschen, die begeisterte Anhänger sind. Ich sitze an meiner Stammteebude und verfolge das Spektakel. Von Zeit zu Zeit düst auch ein Motorradgespann vorbei. Fahnen mit aufgedruckten Symbolen flattern im Fahrtwind und laute Parolen sind gerade noch hörbar, als sie schon wieder verschwunden sind. Ich bekomme meinen Tee. Als Untersetzer dient ein kleiner Zettel. Ich betrachte ihn kurz. Die Kandidatin für den stellvertretenden Posten als Kreisvorsteherin wirbt mit ihrem Symbol der Ente. Das ist mir sympathisch und ich beschließe allen zu raten die Ente zu wählen.

Am Abend des Wahltages stehen die Ergebnisse fest. Meine Ente konnte sich leider nicht durchsetzen. Die Wahl haben die Kokosnuss und der Regenschirm für sich bestimmt.

Freitag, 16. Januar 2009

Sommerfahrt

16.01.2009

"Es wird dunkel und wir kommen etwas erschöpft im Büro wieder an. Ein schöner Tag."

Es ist Freitag. Dementsprechend wird heute nicht gearbeitet. Wir haben frei. Mein Koch, einer der Angestellten und ich wollen eine Fahrradtour machen. Der Koch lädt uns zu sich nach Hause ein. Seine Familie stellt regionale Süßigkeiten her. Also zögern wir nicht lange und beschließen den Ausflug. Jeder bekommt ein Fahrrad und ich fahre nach einem halben Jahr endlich wieder mit dem Rad. Das Wetter könnte nicht besser sein. Die Sonne scheint, aber es ist angenehm kühl. Schnell verlassen wir die asphaltierte Hauptstraße und unser Weg führt uns über die vielen kleinen Pfade, die zwischen den Feldern verlaufen.

Nach knapp einer Stunde erreichen wir das Haus seiner Familie. Es besteht wie die umliegenden Bauten aus Lehm und Stroh. Er erzählt, wer alles in seiner Nachbarschaft wohnt und dass eigentlich alle irgendwie miteinander verwandt sind. Ein großer Teich findet sich hinter dem Haus und alles ist umringt von Bäumen. Eine Lehmmauer umschließt den Innenhof. Auf der Veranda steht sein Vater vor einer großen Pfanne. In der Pfanne schmoren einige frische Süßigkeiten, die in Deutschland eher süßem Gebäck gleichen als die uns bekannten Naschereien.

Von der Stadt sieht man nichts mehr. Alles ist umgeben von Feldern. Jeder geht gelassen seiner Arbeit nach. Das angenehme, schöne Wetter macht die Idylle perfekt. Wir bekommen Mittagessen und zum Nachtisch gibt es natürlich selbst gemachte Süßigkeiten. Wir dürfen uns noch ein wenig entspannen, bevor wir die 14 Kilometer zurück nach Joypurhat fahren.

Dienstag, 6. Januar 2009

Kochstunde

06.01.2009

"Die Portion war zu groß für einen alleine. Zumindest hatte ich mal ein anderes Abendessen."

Selber kochen? Wozu hat die Organisation denn einen Koch angestellt? Andererseits bedeutet das auch, dass ich selbst bestimmen kann, was es gibt. Mein Vorschlag wird begeistert angenommen. Ich koche und die anderen, die auch im Haus wohnen, dürfen sich bekochen lassen. Nachdem ich herausgefunden habe, was alles in der Vorratskammer ist, steht der Entschluss fest. Es gibt Kartoffelbrei und Spiegelei. Ich zeige auf die Kartoffeln und sage, dass ich fünfzehn Stück brauche. Der Koch guckt mich etwas verwundert an. „So viele Kartoffeln, für drei Leute!?“, sprudelt es aus ihm heraus. Die Kartoffeln sind nicht sehr groß, viel ist es eigentlich nicht.

Die Kartoffeln sind geschält und das Wasser kocht. In einem anderen Topf brate ich Zwiebeln an und gebe nach und nach weiteres Gemüse hinzu. Die Kartoffeln sind fertig und ich fange an, sie mit der Gabel zu stampfen. Es dauert eine Weile, bis wirklich alle Kartoffeln zu Brei geworden sind. Jetzt das gebratene Gemüse mit dem Kartoffelbrei vermischen. Langsam bekomme ich Hunger, weil wir erst sehr spät angefangen haben. Der anhaltende Stromausfall macht es nicht leichter, das Essen anzurichten. Nur noch das Spiegelei obendrauf und der erste Teller ist fertig. Strahlend rufe ich die anderen.

Doch der Blick sagt eigentlich alles. Einen Kommentar können sie sich trotzdem nicht verkneifen. „Kein Reis?! Das ist kein Essen. Du bis verrückt geworden.“ Etwas missmutig sitzt der Koch vor seinem Teller. Nach einer Minute schiebt er den Teller weg. Er steht auf und murmelt etwas wie: „Ich koche Reis.“ Die beiden sind verstimmt, weil sie Hunger haben. Also sitze ich alleine vor meinem Gericht. Als ich fast alles aufgegessen habe, kommen sie zurück. Sie möchten probieren. „In der Not frisst der Teufel Fliegen“, denke ich, als beide langsam zur Gabel greifen. Und als hätte ich es nicht vorher gewusst, es schmeckt. Beide teilen sich die Reste und nehmen sich dann noch eine ordentliche Portion Reis. Ganz ohne geht halt doch nicht.

Donnerstag, 1. Januar 2009

Jahresrennen

01.01.2009

"Und so fängt das neue Jahr an. Obwohl die Feier gefühlt noch im alten Jahr endet."

Als wir um kurz nach elf im Diplomatenviertel Dhakas ankommen, sieht man nicht sehr viel von feiernden Menschen, die die Straße belagern und sich auf das neue Jahr freuen. Warum auch? Heute ist ein normaler Tag. Ein Tag mitten im Jahr. Vielleicht der achte oder neunte Monat. Jedenfalls nach bengalischem Verständnis. Dennoch hat sich die Regierung Sorgen um die ganzen Ausländer gemacht, die, wie auch wir, an dem heutigen Tag Dhaka unsicher machen wollen. Deswegen hat sie vorsichtshalber im ganzen Viertel Polizisten und Sondereinsatzkommandos postiert, die dafür sorgen sollen, dass niemand auf der Straße feiert oder gar Alkohol trinkt. Die schwer bewaffneten Männer jagen sogar die harmlosen Rickshawfahrer weg, die sich an einer Straßenecke ausruhen wollen. Also finden die wenigen Feiern hinter verschlossenen Türen statt. Von den wenigen Privatpartys haben wir uns eine ausgesucht, die nicht ganz so teuer sein soll.

Die Straßen scheinen wie leer gefegt, als wir mit einer Rickshaw vor dem empfohlenen Club halten. Es ist inzwischen halb zwölf. Wir hatten uns mit mehreren getroffen und es ist später geworden als geplant. Nun stehen wir also direkt vor der Feier. Über die hohen Mauern schallt die Musik. Mit der Gewissheit, dass hier auch alkoholische Getränke ausgeschenkt werden, kann man sich ungefähr vorstellen, wie es innen aussieht. Trotzdem stehen wir immer noch draußen. Wir wussten, dass man eine Einladung braucht. Aber für zwei von uns haben wir keine mehr bekommen. Silvester vor verschlossenen Türen feiern ist nicht wirklich schön, während andere sich nur ein paar Meter weiter vergnügen. Eigentlich trennt uns nur die Mauer. Wir fällen die Entscheidung, dass ein Teil vorgeht und versucht jemanden zu finden, der die Einladung aussprechen kann. Jedes Mitglied des Clubs könnte dies tun, sollte er nicht schon andere Leute eingeladen haben.

Ich warte also mit einer anderen Freiwilligen draußen. Es ist kurz vor zwölf. Für den Einlass ist es eigentlich schon zu spät, als es von der anderen Seite schallt: „Wir haben jemanden! Ihr könnt rein!“ Und tatsächlich kommen wir noch rein. Noch drei Minuten. Drinnen legen wir unsere Sachen in einer Ecke ab. Die nächsten Schritte führen mich direkt zur Bar. Angekommen, muss ich feststellen, dass ich Getränkemarken brauche. Also wieder auf die andere Seite. Noch zwei Minuten. Ich investiere das meiste meines Geldes in die kleinen Papiermarken, ohne zu wissen, dass die Feier schon um drei Uhr zu Ende sein wird und ich mindestens die Hälfte davon zum Schluss für Bierdosen ausgebe, um es in meiner Tasche wieder mit nach Hause zu nehmen. Noch eine Minute. Ich hechte wieder zur Bar. Die Sekunden verstreichen. Irgendetwas braucht man zum Anstoßen, das steht fest. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich endlich meine Bestellung aufgeben kann. Zehn, neun. Als der Countdown einsetzt, reiche ich dem Barkeeper ein paar meiner Marken. Sechs, fünf. Immer noch ohne Getränk kommt das neue Jahr näher und näher.

Auf drei stellt der Barmann die beiden Gläser ab. Ich nehme sie und gebe eins in der letzten Sekunde weiter. Gerade noch rechtzeitig stoße ich mit meinem Gegenüber an und nehme einen großen Schluck Gin Tonic. Ich komme mir abgehetzt vor und stelle fest, dass ich in dieses Jahr wohl eher gerannt als gerutscht bin.