Herzlich Willkommen auf meinem Blog!


Diese Seite soll mir helfen Euch meine Erfahrungen, meine Eindrücke und meinen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Bangladesch näher zu bringen.

Von September 2008 bis August 2009 arbeite ich zusammen mit NETZ Bangladesch bei der Entwicklungsorganisation Ashrai. In dieser Zeit bin ich in einem Grundbildungsprogramm in der Region um Joypurhat tätig.

Nähere Infos zu dem Projekt findet Ihr "hier".

Ich werde mich bemühen regelmäßig aus Bangladesch zu berichten. Ihr habt zu jedem Post die Möglichkeit Kommentare abzugegen. Solange nicht anders gewünscht, werde ich die Kommentare nach einer Prüfung meinerseits veröffentlichen. Gerne dürft Ihr mir auch auch E-Mails schreiben oder mich auf eine andere Weise kontaktieren.


Peter


Montag, 29. Dezember 2008

Wahltag

29.12.2008

"Es ist ruhig. Keine Autos, keine Busse, keine Motorengeräusche."

Es gab in den letzten zwei Wochen keinen Tag, an dem nicht eine Masse an Menschen an unserem Haus vorbeigezogen ist. Gegenüber unserer Wohnung wohnt der Kandidat für diesen Stadtbezirk. Die Menschen, die mindestens zweimal am Tag mit lauten Rufen die Straße rauf und runter gelaufen sind, sind verschwunden. Nein, heute sind kaum Leute auf der Straße. Nur die Rickshaws befahren die Gegend und klingeln hier und da. Heute haben sich alle vor den Wahlbüros versammelt. Fahrzeuge dürfen nur mit Sondergenehmigung fahren. Heute wählen die Menschen in Bangladesch eine neue Regierung, nachdem das Land in den letzten zwei Jahren von einer Übergangsregierung geführt wurde.

Für niemanden ist es ersichtlich, was heute passieren wird, ob und wenn doch, wo es zu Ausschreitungen kommen könnte. Dennoch ist die Stimmung deutlich. Ruhig und friedlich soll es zugehen. Und eine neue Regierung soll in fairen und freien Wahlen gewählt werden. Nachmittags steht fest, dass bereits mehr Menschen als erwartet gewählt haben. Es sieht ganz danach aus, als gäbe es die höchste Wahlbeteiligung in der Geschichte Bangladeschs. Auch die Zeichen für den Sieg einer Partei werden immer deutlicher. Die Stimmung der letzten Tage scheint sich auch hier zu bestätigen. Erste Prognosen werden im Fernsehen ausgestrahlt.

Ich habe indessen nicht viel gemacht. „Die Wahllokale meiden“, hieß es. Hin und wieder verfolge ich die Berichterstattungen im Fernsehen. Das meiste, was gesagt wird, verstehe ich nicht, aber die Zahlen, die am unteren Rand durch den Bildschirm laufen, sagen alles. Es wird Abend und mir fällt ein, dass ich noch Wäschen waschen wollte. Kurz vor Mitternacht lasse ich mir noch einmal bestätigen, was ich vorher schon gehört hatte. Ich rufe die Internetseite der Wahlkommission auf und lese mir das vorläufige Wahlergebnis durch. So geht dieser unerwartet ruhige Wahltag zu Ende.

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Weihnachtstopfpflanze

24.12.2008

"Weihnachten oder „boro din“ – der große Tag – wird in Bangladesch nur von einer kleinen Minderheit gefeiert. Kein Weihnachtsschmuck, keine Schokoladenweihnachtsmänner und keine Weihnachtsbäume."

Ich bin gerade aufgestanden. Heilig Abend. Es liegt weder Schnee noch ist es kalt. In den letzten Monaten war von Weihnachten wenig zu sehn. Die sonst allgegenwärtige Vorfreude blieb aus. Dennoch sind wir der Meinung, dass wenigstens ein wenig gefeiert werden muss. Der Restaurantbesuch am Abend steht fest. Uns fehlt aber immer noch etwas, um Stimmung zu schaffen. Wir brauchen einen Weihnachtsbaum.

Wir sitzen auf der Terrasse. Unser Blick fällt auf die großen Topfpflanzen, die ringsum das Geländer aufgestellt sind. Sie gleichen zwar ganz und gar nicht einer Tanne, aber das Geäst sollte für unsere Zwecke reichen. Der kleine Baum findet sich in einem großen, grünen Fass. Das Heben bereitet uns Schwierigkeiten. Auf einer Pappe, die wir in einer Abstellkammer gefunden haben, lässt sich die Pflanze dann doch über die Fliesen schleifen. Unabsichtlich hinterlassen wir einen schwarzen Streifen auf dem Boden.

Es dauert eine Weile bis wir den richtigen Platz in dem Zimmer nebenan finden. Wir beginnen den wenigen Weihnachtsschmuck den wir haben am Baum zu befestigen. Nach und nach füllen sich die Äste und die langweilige Pflanze wird zu einem bunt geschmückten Objekt. Glitzerfolie, die wir extra gekauft hatten, lässt auch das Metallfass erstrahlen. Der bengalische Weihnachtsmann, der nicht hell- sondern dunkelhäutig ist, ist der ganze Stolz unseres Prachtstücks. Das ganze sieht recht ungewöhnlich aus, aber es erfüllt seinen Zweck. Und so bringen die Weihnachtstopfpflanze und die selbstgebackenen Plätzchen auch ein wenig Weihnachten nach Bangladesch.

Dienstag, 16. Dezember 2008

Siegestag

16.12.2008

"Die Straße ist gesperrt. Eine Masse an Menschen geht voller Euphorie an mir vorbei. Sie singen und tanzen für ihr Land."

16. Dezember 1971, Pakistan steht zu seiner Niederlage und der neunmonatige, blutige Krieg hat ein Ende. Die Unabhängigkeit hat das bengalische Volk viele Opfer gekostet. In dem „Liberation War Museum“ lese ich von einem Jungen, der am Morgen des 16. Dezembers auf die Straße läuft und den Sieg Bangladeschs bejubelt, während er eine selbst gemachte Flagge schwingt. Er wird von pakistanischen Soldaten erschossen. Eines der letzten Opfer des Krieges.

Schon seit Tagen kann man in Dhaka bengalische Fahnen kaufen. An jedem Auto, jeder CNG und jeder Rickshaw weht das Symbol der Unabhängigkeit. Eine Euphorie überkommt das Land, wie man sie in Deutschland nur beim Fußball findet. Ich bin unterwegs zum Landesmuseum. Paraden gibt es überall in der Stadt. Um zehn Uhr soll es losgehen. Pünktlich erreiche ich das Ziel. Einige Leute haben sich schon vor dem Museum versammelt. Von der Parade fehlt jede Spur. Ich warte und die Minuten vergehen. Ich beginne mich zu fragen, ob ich an dem richtigen Ort bin. Es öffnet sich ein Tor und Leute mit Fahnen und Kleidung in rot und grün strömen aus den Mauern.

Hunderte von Menschen folgen. Am Ende zieht eine Masse von jungen Bengalen eine riesige Statue von bengalischen Freiheitskämpfern. Begleitet von Trommeln und dem wilden Geschrei der Beteiligten setzt sich der Zug in Bewegung. Eine großflächige Flagge nimmt die ganze Straße ein. Kinder laufen unter der Fahne und freuen sich über das Spektakel. Die Parade lockt viele Besucher an, die ebenfalls ausgelassen feiern. Auch Pressevertreter beobachten das Geschehen. Als mich ein Kamerateam entdeckt, kommt es auf mich zu. Über ein kleines Statement von einem Ausländer würden sie sich freuen, sagen sie mir und halten mir ein Mikrophon vor die Nase. Etwas überfordert, verweise ich auf zwei andere Freiwillige. Als sie uns ein paar Sätze abringen können, treten sie den Rückzug an. Ich höre wie der Reporter sagt: „Das ist gut gelaufen.“ Der Kameramann nickt zustimmend.

Ich laufe der Parade wieder nach. Von der Begeisterung der Menschen überwältigt, verliere ich Gedanken daran, wie dieser Nationalstolz wohl in Deutschland aussehen würde.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Schönwald

09.12.2008

"Es beginnt zu dämmern. Die Männer mit den Gewehren sagen, wir müssen zurück. Weg vom Strand, zurück durch das exotische Waldstück Richtung Boot."

Endlich Frühstück. Wenn man schon um fünf Uhr morgens aufsteht, ist man spätestens um acht Uhr hungrig. Zum Glück hatten wir in der Zwischenzeit etwas zu tun. Zurück von den schmalen Kanälen mit dem kleinen Ruderboot. Still ist es hier. Nur morgens machen Vögel auf sich aufmerksam und flattern wild durch die vielen Bäume. Die Bäume, die Wurzeln sind an den Ufern oft komplett freigelegt. Seltsam zu betrachten, das Baumwerk von unten. Das Frühstück ist gut und die Mannschaft beginnt den Anker einzuholen. Das kleine Boot gleicht einer Nussschale und bietet uns auf Deck wenig Platz zum Essen und Trinken. Als wir fertig sind, wird alles abgeräumt und die beiden Tische wieder an die Reling geklappt.

Die Motoren werden angeworfen und wir schippern wieder los. Auf dem großen, braunen Fluss begegnen uns nur sehr wenige andere Boote. Zu beiden Ufern erstrecken sich die Mangrovenwälder. Die Sundarbans sind die größten weltweit. Ich stehe am Bug. Die Luft ist frisch, nicht verschmutzt und man kann mal wieder durchatmen. In einer kleinen Luke unter mir, steht der Steuermann. Sein Kopf guckt heraus und mit dem rechten Fuß bewegt er das Steuerruder. Unser Kurs führt uns südlich zur Bengalischen Bucht, dem offenen Meer, das Teil des Indischen Ozeans ist. Die Stunden vergehen. Das Motorgeräusch ist kaum noch wahrnehmbar. Nur das Schiff schwankt manchmal leicht hin und her. Ein ganzes Stück flussabwärts biegen wir in einen schmaleren Kanal ein. Kurze Zeit später wird das Schiff langsamer und der Anker wird ausgeworfen.

Es ist Mittag und das Essen kommt gerade recht. Während wir essen, beobachten wir, wie sich zwei Adler ihr Glück versuchen, auch etwas Essbares zu fangen. In einen weiten Sturzflug geht es immer wieder auf die Wasseroberfläche zu. Es platscht leicht und einer der beiden steigt mit einem Fisch in seinen Krallen wieder auf. Er verschwindet in den Ästen eines Baumes am Ufer. Der zweite Adler hat weniger Glück. Wir beobachten seine Versuche. Immer wieder stürzt er auf den Fluss zu und steigt in letzter Sekunde wieder auf. Immer wieder erfolglos. Nach gefühlten zwanzig Versuchen gibt er auf und fliegt über die Baumkronen weg in eine andere Richtung. Nach dem Essen geht es weiter. Wieder steigen wir um auf das kleine Ruderboot und paddeln ans Ufer.

Über einen kleinen Anleger mit Steg geht es an Land. Der Steg besteht aus verschiedenen Holzbrettern und sieht eher provisorisch aus. Diesmal begleiten uns zwei Sicherheitsmänner von der Waldpatrouille. Jeder von ihnen hält ein Gewehr in der Hand zum Schutz vor Tigern, die eventuell auftauchen. Ein Wachmann geht voraus, der andere hinterher. Angeführt von unserem Touristenführer bewegen wir uns immer landeinwärts.Über eine große Wiesenfläche geht es am Waldrand vorbei.

Rehe und Hirsche verstecken sich im Gras. Bunte Schmetterlinge flattern vor unseren Köpfen und setzen sich dann auf die Blüten von großen Blumen. Wir schlagen den Weg durch den Wald ein. Ein Trampelpfad schlängelt sich durch den Wald. Hohe Bäume mit Lianen bilden ein dichtes Gehölz. Der Boden verändert sich und Sand tritt an die Stelle der hellbraunen Erde. Wir kommen an den Rand des Waldes, der mit Palmen aufhört. Zwischen zwei großen Büschen betreten wir den Strand. Weit und breit keine Menschenseele. Die Bengalische Bucht, das offene Meer direkt vor uns.

Wir haben etwas Zeit für uns. Ich lasse meine Sandalen und die Umhängetasche am Treffpunkt. Die Hose wird hochgekrempelt und ich schlendere durch das Meer. Ich laufe die Küste entlang und entdecke mehrere Reihen von abgeholzten Bäumen. Allerdings war hierfür der letzte Sturm verantwortlich und kein Mensch. Das Wasser hat die Stämme abgeschliffen und über die Zeit haben sich rundherum kleine Pfützen gebildet. Krebse und andere kleine Lebewesen finden hier nun Platz. Ich bleibe stehen und genieße den Moment. Als ich mich umdrehe, sehe ich, wie einer unserer Sicherheitsmänner mich zu sich winkt. Ich folge seiner Geste und er zeigt mir, was er gerade entdeckt hat. Vor mir in Sand sind klar und deutlich große Abdrücke von Tigerpfoten zu sehen. Auch der andere Wachmann kommt und sieht sich die Spuren an. Beide beschließen, dass die Fußspuren noch frisch sind.

Wir verfolgen den Gang des Tigers. Sie führen unter den Stamm eines großen Baumes. Auf der anderen Seite finden wir sie wieder und können verfolgen, wie der Tiger um die Bäume geschlichen sein musste. Neben den großen Spuren tauchen nun auch kleine Abdrücke auf. Einige Meter weiter führen sie in den Wald. Auch die anderen konnten die Schnitzeljagd mitverfolgen. Es dämmert leicht und die Männer entscheiden, dass es besser ist umzukehren. Wir machen uns auf den Rückweg und lassen den bengalischen Königstiger hinter uns.

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Wunderland

03.12.2008

"Dhaka von oben habe ich mir etwas anders vorgestellt. Aber es sind auch die kleinen Dinge, die mir Freude bereiten können."

Wir sitzen zu fünft in einem Taxi. „Geburtstag feiern“ steht auf dem Plan. Unser Weg führt uns nach Gulshan, das Botschaftsviertel Dhakas. Wo sonst sollte es einen Vergnügungspark geben? Als wir ankommen werden unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Wir kaufen fünf Tickets und gehen durch einen großen, bunten Bogen. Freizeitpark auf bengalisch. Bunt, schrill, leer und nach europäischen Maßstäben nicht zu messen. Die Anlage erinnert mich irgendwie an einen ähnlichen Park in der Nähe meiner Heimat. Dennoch, gleich links ein Kettenkarussell, weiter hinten ein Riesenrad, auf der linken Seite eine „Achterbahn“ mit Wasserbecken, rechts Autoscooter, in der einen Ecke ein kleiner Zoo und in der anderen ein 3D-Kino. Außerdem kleine Stände mit Zuckerwatte, Süßigkeiten, Chips und Getränken.

Wir gehen zu den Autoscootern. Fünf Minuten Fahrspaß ohne darauf achten zu müssen, ob irgendetwas kaputt geht. Über mir sprühen alle paar Meter Funken. Spätestens jetzt bin ich mir sicher, dass man auch bei meinem Fahrzeug nichts sonderlich zerstören kann. Die Zeit vergeht schneller als gedacht und wir müssen aussteigen. Jetzt erstmal Zuckerwatte. Die Maschine zur Herstellung sieht zwar schon etwas älter aus, aber die Zuckerwatte schmeckt und das ist die Hauptsache. Nächste Station Kaffeetassen. Zum Glück wird mir nicht so schnell schlecht. Doch nach der ersten Fahrt, muss ich auf eine zweite verzichten und mich erst einmal setzen. Etwas Ruhiges muss her.

Die anderen drängen auf die Achterbahn zu gehen. „Also Achterbahn.“, denke ich. Fünf oder sechs Stufen geht es ein Podest hoch. Wir bekommen Regenjacken, die leider schon nass sind. Ein Wagen in Form einer riesigen Ente macht die Achterbahn aus. Ich nehme in dem kleinen Wagen Platz. Ich muss meine Beine zur Seiten drehen, um überhaupt sitzen zu können. Es geht los. Mit wenig Schwung schaffen wir es gerade durch einen kleinen Tunnel. Auf der anderen Seite werden wir wieder hochgezogen. Oben angekommen geht es leicht bergab in eine Kurve. Nach der 180°-Kurve wird es steiler. Das Wasserbecken liegt vor uns. Es platscht. Wir stehen wieder und dürfen aussteigen. Dort wo vorher kein Regenmantel war, ist es jetzt nass.

Erstmal trocknen. Wir setzen uns an eine kleine Bude und trinken etwas. Das Kettenkarussell sieht nicht vertrauenswürdig aus. Bleibt also noch das Riesenrad. Das sieht zwar auch schon älter aus, ist aber zum Glück nicht so hoch und wesentlich langsamer. Spaß haben wir trotzdem.

Mittwoch, 26. November 2008

Morgensonne

26.11.2008

"Vor mir ein kleiner See. Die Sonne ist mittlerweile aufgegangen. Die hellen Strahlen fühlen sich gut an. Ein warmer Strom fährt durch meinen Körper."

Eigentlich wollte ich das Interview gestern führen. Aber es war zu spät. Jetzt muss ich früh morgens in das Dorf, bevor die Leute anfangen zu arbeiten. Es dämmert leicht. Verschlafen setze ich mich auf das Motorrad. Der Fahrtwind ist kälter als sonst. Ohne einen Schal und nur mit einem dünnen Pullover ist die gefühlte Temperatur noch niedriger. Nebel bedeckt die Felder. Kaum jemand ist unterwegs. Nur vereinzelt sieht man Menschen die Straße entlang gehen. Selbst die Läden haben so früh noch nicht auf. Ein warmer Tee wäre jetzt gut, denke ich mir, als wir einen kleinen Markt passieren. Wir sind eine ganze Weile unterwegs, bevor wir das Dorf erreichen, in dem ich schon gestern war.

Wir halten an und müssen das kleine Stück von der Straße zu den Häusern zu Fuß laufen. Auch die Dorfbewohner sind gerade aufgestanden. Frauen holen Wasser von einem Brunnen oder spülen die gerade benutzten Töpfe an einer Wasserstelle. Hier und da sieht man Leute mit einem kleinen Ast in der Hand. Das eine Ende aufgeribbelt, um auch die Zahnlücken zu säubern. Alles ist ruhig. Die einzigen wahrnehmbaren Geräusche kommen von den Tieren. Kühe, Hühner und Ziegen geben regelmäßig Laute von sich.

Wir warten ein paar Minuten auf die Leute, mit denen ich sprechen will. Als alle versammelt sind, setzen wir uns in einen Kreis. Ich hole mein Notizbuch aus meiner Tasche und fange an Fragen zu stellen. Zum Glück ist mein Kollege dabei, um mir beim Übersetzen zu helfen. Erst als die Bewohner unter sich in ihrer eigenen Sprache sprechen, versteht auch er nichts mehr. Es vergeht fast eine Stunde, bis ich alle Informationen habe, die ich brauche. Ich bedanke mich, vor allem dafür, dass sich alle so früh morgens Zeit genommen haben. Es ist 7:12 Uhr. Jetzt kann der Tag beginnen, denke ich, als wir zurück zum Motorrad gehen.

Sonntag, 23. November 2008

Wettbewerbsrichter

23.11.2008

"Blume oder Haus und Kuh? Ich entscheide mich für die Blume. Die anderen sind begeistert und stimmen mir zu."

Einmal im Jahr soll in Schulfest veranstaltet werden. Das Schuljahr endet gerade für die Erstklässler. Wir sind auf dem Weg in eines der umliegenden Dörfer. Fünf Klassen sollen sich heute hier treffen. Die Sonne scheint und es ist etwas wärmer als in den letzten Tagen. Die Reisfelder sind mittlerweile nicht mehr so grün, dennoch gibt der Dorfplatz eine schöne Atmosphäre. Wir kommen mit dem Motorrad an. Eltern und Lehrer sind noch mit dem Aufbau beschäftigt. Alles erstrahlt in bunten Farben. Alle Kinder sind auch schon da und ein paar Leute aus den umliegenden Dörfern tragen Bauchläden und verkaufen Nüsse und andere Süßigkeiten.

Unter einer bunten Plane wird ein langer Tisch aufgebaut. Dahinter Stühle, für geladene Gäste, Mitarbeiter und Lehrer. Neben dieser Bühne hat jede Klasse einen kleinen Stand, an dem die Schüler Gebasteltes und Tonarbeiten vorstellen. Der Platz füllt sich langsam. Immer mehr Menschen kommen und ich mir kommt es vor, als wäre dieses Schulfest eine richtige Großveranstaltung. Auch ich schlendere zwischen den Ständen umher. Mit ein paar Erdnüssen in der Hand sehe ich mir die vielen Arbeiten der Kinder an. Ich mache Bilder und unterhalte mich mit den Kindern und den Lehrern.

Aus einem großen Lautsprecher, der provisorisch in einem Baum auf gehangen wurde, schallt erst lautes Rauschen und dann eine Stimme. Die Kinder um mich herum bewegen sich auf die Bühne zu und setzten sich auf den Boden davor, der mit Planen bedeckt ist. Eine Lehrerin weist mir an mitzukommen. Ich werde auf einem der Stühle hinter dem langen Tisch gesetzt. Ein Mitarbeiter fängt wieder an über den Lautsprecher zu reden. Die Rede dauert einige Minuten. Alle Kinder hören gespannt zu und verfolgen das Ereignis unerwartet leise. Das Mikrophon wird weitergereicht. Diesmal ist die Rede etwas länger. Ich verstehe kaum ein Wort. Dann aber höre ich meinen Namen. Mein Kollege streckt mir das Mikrophon entgegen. „Sag irgendwas. Auch auf Englisch, wenn du willst.“ Etwas verdutzt überlege ich, was ich sagen könnte. Ich schüttele mir ein paar Worte aus dem Ärmel und hoffe damit meiner Aufgabe genüge zu tun, von der ich bis gerade noch nichts wusste.

Nach zwei weiteren Reden fängt das Fest nun endlich an. Mal-, Tanz- und Gesangswettbewerbe zwischen den Klassen bilden das Rahmenprogramm. Ich bin jetzt Wettkampfrichter. Auch das hat mir mein Kollege gerade erst gesagt. Gesagt, getan. Jede Vorführung wird bewertet. Komischerweise ist mein Favorit gleichzeitig der Favorit aller anderen Juroren. Die Kinder vor allem die Mädchen haben sich besondere Kleider angezogen oder sind geschminkt. Alle sind mit vollem Einsatz dabei und man sieht ihnen an, dass sie den Wettbewerb für sich entscheiden wollen.

Als letztes kommt der Malwettbewerb. Zehn Minuten hat jedes Kind, das mitmachen will. Die meisten Schüler malen ihr Zuhause oder die Umgebung. Vögel, Kühe, Ziegen und andere Tiere bilden sich ab. Die bengalische Fahne ist fast auch immer dabei. Ein paar Minuten später liegen alle Bilder auf dem langen Tisch. Alle beraten sich, aber unter den letzten zwei Bildern darf ich die große Entscheidung fällen. Nach bestem Gewissen wähle ich eins aus, um den Sieger zu bestimmen.

Mittwoch, 19. November 2008

Arbeitsmoral

19.11.2008

"Ich sitze wieder alleine vor meinem Laptop. In einer Stunde ist Feierabend. „Den Rest schaffe ich wohl nicht mehr.“, denke ich."

Die kurze Mittagspause nach dem Essen vergeht schneller als man denkt. Ich stehe auf. Ein Windstoß lässt mich erzittern. Die Sonne scheint zwar, aber die Temperaturen sind deutlich gesunken. Ich setze mich wieder auf den schmalen, grünen Plastikstuhl vor dem Schreibtisch. Ich schalte meinen Rechner ein. Mein Blick schweift über die vielen Zettel und Papierstapel vor mir. Ich überlege, womit ich beginnen soll. Nachdem ich meine E-Mails abgerufen habe, öffne ich den Schulbericht, der fast fertig ist. Ich beginne zu tippen.

Durch mein Fenster hat man einen guten Blick auf das Nachbargebäude. Erst gestern sind wieder 30 Leute angekommen, die hier zwei Tage lang geschult werden. Es wird laut. Stimmen sind zu hören und ich drehe mich um. Alle Teilnehmer stehen nun vor dem Gebäude, bekommen Tee und Kekse und gönnen sich eine Pause. Ein Kollege kommt in mein Zimmer und fragt, ob ich auch etwas möchte. Die Einladung auszuschlagen wäre unhöflich, also folge ich ihm nach draußen. „Schnell den Tee trinken und dann wieder an die Arbeit.“, sage ich mir. Zehn Minuten später bin ich wieder in meinem Zimmer. Um mich herum ein paar andere Leute, die mir gefolgt sind.

Interessiert beobachten alle, wie ich am Computer arbeite. Dann traut sich jemand und spricht. Ich lasse meine Arbeit wieder ruhen und beantworte die üblichen Fragen. Jetzt, da alle wissen, wie ich heiße, was ich mache, wo ich herkomme und was meine Eltern beruflich machen, kann ich mich wieder der Arbeit widmen. Bleibt nur noch eine Frage: „Wie funktioniert das? Kannst du mir das zeigen?“ Der Mann, vielleicht Ende zwanzig, meint den Laptop. Das Internet, Word, Excel, PowerPoint, einfach alles, was man machen kann. Er wüsste davon nichts und ich könne ihm das doch zeigen. Es dauert eine Weile, bis ich es schaffe ihm zu erklären, dass alles etwas komplexer ist, als er sich das vielleicht gerade vorstellt. Ich verspreche ihm, mir ein anderes Mal Zeit zu nehmen.

Die Leute verlassen mein Zimmer. Jeder bedankt sich mit einem Handschlag. Einige entschuldigen sich für die Störung und ich behaupte, sie hätten nicht gestört. Noch ein Photo als Erinnerung und ich bin wieder allein. Bald ist Feierabend.

Donnerstag, 13. November 2008

Schulbesuch

13.11.2008

"Es ist inzwischen Nachmittag. In zwei Stunden wird es dunkel und wir machen uns mit dem Motorrad wieder auf den Weg ins Büro."

Kühler Fahrtwind bläst mir ins Gesicht. Ich sitze auf dem Motorrad. Es ist früh morgens. Über holprige Straßen und Wege entfernen wir uns immer weiter von der Stadt. Die Sonne ist schon vor ein paar Stunden aufgegangen. Das warme Licht taucht die umliegenden Reisfelder in ein strahlendes Grün. Wir erreichen einen kleinen Ort. Die wenigen Steinhäuser stechen zwischen vielen Hütten aus Bambus und Wellblech heraus. Alle Gebäude stehen dicht an dicht. Obwohl es noch früh ist, sind bereits sehr viele Menschen unterwegs. Wir halten an einer kleinen Hütte. Drei Kessel stehen auf einem Lehmofen. Ich bestelle zwei „lal cha“. Ein einfacher Tisch aus Holz dient als Tresen. Der Mann dahinter fängt mit der Zubereitung an. Auf einer kleinen Bank vor dem Laden lassen wir uns nieder.

Fünf Minuten später geht es weiter. Nach ein paar Metern biegen wir von der Straße ab. Der Feldweg führt direkt an Eisenbahnschienen entlang. Die Fahrt mit dem Motorrad ist beschwerlich, dauert aber zum Glück nicht so lange. Wir halten wieder und ich steige ab. Ein paar Meter hinter den Schienen gehe ich einen kleinen Pfad entlang. Die Reisfelder neben mir führen so weit das Auge reicht. Der Weg mündet in einem Dorf. Die einfachen Hütten bestehen aus Lehm. Die meisten haben ein Wellblechdach. Zwischen ihnen stehen vereinzelt Kühe und Ziegen.

Ich erreiche das Schulgebäude. Wir betreten den einen Raum, aus dem die Schule besteht. Alle 30 Kinder stehen auf und begrüßen uns mit: „Nomoshkar!“ – der Begrüßung der Hindus. Der Lehrer steht vorne an der Tafel. Wir erwidern den Gruß und setzen uns auf den Boden, der mit Jutematten abgedeckt ist. Auch die Kinder setzen sich wieder. Die Kinder gucken mich mit neugierigen, großen Augen an. Alle fragen sich, was ich wohl hier mache. In einer Vorstellungsrunde soll sich das Geheimnis lüften. Die Schüler stehen einzeln auf und sagen ihren Namen und ihr Alter. Viele reden so schnell, dass ich kaum etwas verstehe. Die meisten sind schüchtern und wollen sich daher schnell wieder setzen. Jetzt stelle auch ich mich vor. Mein bengalischer Wortschatz reicht für die einfachen Sätze und die Kinder sind von meinem Können überrascht.

Ich begebe mich in den hinteren Teil des Klassenzimmers und setze mich zwischen zwei Schüler. Mein Kollege muss wieder fahren und wird mich erst mittags wieder abholen. In den nächsten Stunden verfolge ich den Unterricht. Neben Bengalisch, Mathe und Unweltkunde wird auch Englisch unterrichtet. Das bengalische Alphabet unterscheidet sich stark von unserem lateinischen. Die Erstklässler müssen beide lernen. Eine Schülerin liest laut einfache Wörter und Sätze vor. Die Antwort bildet ein Chor von Kinderrufen, die das Gelesene nachsprechen. Ich mache Bilder und Notizen in ein kleines Heft.

Es ist mittlerweile halb eins und die Schule ist vorbei. Ich begleite noch zwei Schüler zu ihrem Haus. Der Weg führt mich über schmale Pfade durch die grünen Reisfelder. Die Mittagssonne scheint und es ist heiß. Die Häuser der Familien bestehen aus einem einzigen Raum. Auf manchen Höfen findet sich ein Brunnen, eine Latrine muss von mehreren Familien geteilt werden. Zusammen mit meinem Kollegen, der inzwischen wieder gekommen ist, rede ich mit den Schülern. Sie erzählen mir, was sie werden wollen, welches Fach sie am liebsten mögen und was sie gerne Essen. Ich erfahre, was ihre Eltern beruflich machen und ob noch mehr Familienmitglieder in der Hütte wohnen. Die Mütter kümmern sich oft um den Haushalt und die meisten Väter sind Tagelöhner in der Feldarbeit. Mit einem täglichen Einkommen von etwa einem Euro haben die meisten Familien oft nicht genug Geld, um den täglichen Hunger zu stillen. „Besonders schlimm sind die Monate, in denen es keine Arbeit gibt“, erzählt mir der Vater eines Schulkindes.

Freitag, 7. November 2008

Toilettengang

07.11.2008

"Ich setze mich aufrecht hin. Ich habe ein kleines Problem mit meinem Kreislauf und muss abwarten, bis ich aufstehen kann. Ich will nur schnell auf Toilette."

Das Fieberthermometer piept. 39,4 °C. So ungefähr fühle ich mich auch. Ich schätze die Temperatur noch etwas höher, da ich das Thermometer nur unter der Zunge hatte. Wenn man sich zwei Tage nicht bewegt, ist selbst liegen anstrengend. Mein Laken und die beiden dünnen Decken sind mehr oder weniger verschwitzt. Die Zwei-Liter-Wasserflasche von heute morgen ist mittlerweile wieder fast leer. So viel Wasser habe ich an einem Tag schon lange nicht mehr getrunken. Ich fühle mich schlapp und nicht in der Lage irgendetwas zu tun. Aber das Fieber ist nicht das Schlimmste. Es kommt und geht.

Viel unangenehmer ist die Tatsache, dass ich mindestens dreimal in der Stunde auf Toilette muss. Die bengalischen Toiletten sind anders. Ein ovales Loch im Boden. An dem Rand jeweils zwei leichte Erhöhungen für die Füße. Ich muss mich nur hinhocken. Leichter gesagt als getan. Ich stehe auf und bewege mich Richtung Bad. Zum Glück habe ich Klopapier. Normalerweise müsste ich die kleine Kanne neben mir mit Wasser füllen und benutzen. Schnell spüle ich mit einem kleinen Eimer. Eine Spülung hätte die Sache zwar einfacher gemacht, aber man kann ja nicht alles haben. Ich wasche mir die Hände und lege mich wieder hin. Viel länger hätte ich es auch nicht ausgehalten.

Im Bett angekommen, merke ich wie die Bettdecke an mir klebt. Ich nehme noch einen großen Schluck Wasser, bevor ich mich auf die Seite drehe. Kaum habe ich die Augen geschlossen, grummelt mein Magen erneut. Also wieder ins Bad.

Freitag, 31. Oktober 2008

Wurzelfahrt

31.10.2008

"Es wird langsam dunkel. Wir müssen uns beeilen. Der kleine Pfad ist von Bäumen umgeben und wir rasen über die holprigen Wurzeln."

Ich stehe auf. Es ist schon fast Nachmittag und nach einer kalten Dusche esse ich erst einmal zu Mittag. Als ich fertig bin, kommt ein Kollege in den Raum. „Auf geht’s!“ Ich überlege kurz, wohin wir wohl gehen. Mit der Tasche aus meinem Zimmer geht es erstmal nach draußen. Vor dem Büro warten bereits drei andere Mitarbeiter. Heute ist Freitag. Sie sitzen startklar auf dem Motorrad. Jetzt muss ich doch wissen, wohin es geht. „Alta Dikhi.“ Wo auch immer das sein mag. Ich gehe noch mal zurück und hole einen Helm.

Der Fahrtwind bläst unter dem Visier Luft in mein Gesicht. Wir sind schon eine ganze Weile unterwegs. Die Straße wird immer schlechter. Große Schlaglöcher machen ein zügiges Vorrankommen unmöglich. Trotz der schlechten Straßenverhältnisse sind viele Leute unterwegs. Große Laster, einfache Rickshaws, Motorräder und Fußgänger verteilen sich über die Fahrbahnen, die nicht eingeteilt sind. Wir biegen ab. Aus dem asphaltierten Weg mit Löchern wird ein Pfad ohne irgendeine Behandlung. Die Löcher bleiben auch hier nicht aus. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Als Beifahrer nicht gerade angenehm, versuche ich mich auf die Landschaft zu konzentrieren. Die weiten Reisfelder. Die großen Bäume mit ihren Wurzeln, die überall wachsen. Der blaue Himmel und die Sonne, die ihr warmes Licht auf die Erde wirft.

Wir kommen in einen Wald. Die Wege werden enger. Vor uns tut sich ein See auf. Die Ruhe wird nur durch unsere Motorräder gestört. Jetzt erfahre ich, dass es sich um ein Naturschutzgebiet an der indischen Grenze handelt. „Gut, dass wir mit dem Motorrad den See umrunden.“, denke ich, als ich von dem Status des Gebietes erfahre. Wir halten an. In der Ferne sieht man den Zaun, den Indien gebaut hat, um illegale Einwanderer fernzuhalten. Ein Mann, den wir zufällig treffen, erwähnt einen Grenzstein in der Nähe. Mit einem Fuß in Indien machen die anderen Scherze, dass ich gleich verhaftet werde.

Es ist spät geworden und wir wollen das Büro nicht im Dunkeln erreichen. Die vielen kleinen Wege in den Wäldern bereiten uns Schwierigkeiten den Rückweg zu finden. Die Sonne geht unter.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Dorfkultur

29.10.2008

"Die Menge bricht in einen lauten Jubel aus. Wenige Augenblicke später ist das Spektakel vorbei. Wir machen uns wieder auf den Weg ins Büro."

„Es kommt jemand aus Europa, kennst du die Frau?“ Ich gucke etwas verwundert. Die Vermutung liegt erstmal nahe, denke ich mir. So groß ist die Welt ja nicht. Ich bringe in Erfahrung, dass die Frau aus den Niederlanden kommt. Ich kenne sie also vermutlich nicht. Aber ich bin gespannt, wer sie ist und was sie macht. Bisher habe ich noch keinen Ausländer in Joypurhat getroffen und die Wahrscheinlichkeit, dass ich einen auf der Straße treffe, ist sehr gering. Es ist mittlerweile Abend und ich habe sie immer noch nicht getroffen.

„Die haben sich verschiedene Projekte und Dörfer angesehen. Jetzt läuft ein kulturelles Programm. Willst du dahin?“, fragt mich ein Kollege. Das klingt doch interessant. Spontan entschließe ich, zusammen mit ihm auf dem Motorrad in das Dorf zu fahren. Es ist dunkel und kalt. Er leiht mir eine Jacke und wir fahren los. Nach zehn Minuten erreichen wir ein kleines Dorf an einer Straße. Die Bewohner gehören zu der indigenen Bevölkerung, die in dieser Region leben. Sie unterscheiden sich besonders durch ihre Kultur und Religion von den meisten anderen Menschen Bangladeschs. Ein großer Scheinwerfer beleuchtet einen kleinen Platz vor einer Hütte. Ein Tisch und drei Stühle stehen frei, obwohl sich schon eine große Menschenmenge angesammelt hat. Daneben zwei Bänke. Ebenfalls leer.

Aus einen anderen Hütte kommen mehrere Menschen. Eine Schleuse bildet sich und die Personen setzten sich auf die Bänke und die Stühle. Unter ihnen auch die Frau aus den Niederlanden. Das Kulturprogramm beginnt. Ein Sprecher des Dorfes kündigt eine Gruppe an. Es wird gesungen und getanzt. Ich stehe hinter der Menschenmasse und gucke über ihre Köpfe hinweg. Als sie mich bemerken, werde ich nach vorne gedrängt und ich muss mich mit auf die Bank setzen. Zwar habe ich nun einen Sitzplatz in der ersten Reihe, aber die Situation ist erstmal etwas unangenehm, wenn alle anderen stehen müssen. Das Programm geht weiter. Verschiedene Bewohner des Dorfes führen Tänze vor oder singen. Begleitet durch Trommeln, einheimischen Instrumenten, Blattpfeifen, Bambusflöten und kleinen Schellen und Rasseln bricht die Menge in ein Klatschen aus. Die Stimmung steigt und jedes Lied wird tatkräftig von der Masse unterstützt.

Nach 40 Minuten ist das Programm vorbei und keine fünf Minuten später hat sich alles in Luft aufgelöst. Die Niederländerin konnte ich nicht kennen lernen.

Montag, 27. Oktober 2008

Schlammschlacht

27.10.2008

"Ich sehe meine Schuhe nicht mehr. Braun und braun deckt sich halt sehr gut. Mit meinen Füßen taste ich den Boden ab und werde fündig."

Ich gucke aus meinem Fenster. Es regnet immer noch. Schon seit gestern kommen Unmengen an Wasser herunter. Eigentlich hatte ich heute geplant eine Schule zu besuchen. Ich mache mich auf ins Bad und dusche erst einmal. Die ganze Zeit im Büro sitzen und am Computer arbeiten ist auch nicht das Wahre. Ich frühstücke. Es ist kurz vor zehn, als durch meine scheibenlosen Fenster keinen einzigen Regentropfen vom Himmel fallen sehe. Nur vom Dach und von den Bäumen tröpfelt es gelegentlich.

Ich gehe vor das Büro, um mir selbst ein Bild zu machen. Es hat wirklich aufgehört. Zwei Kollegen kommen mir entgegen und fragen mich, ob ich mit ins „Field“ käme. Ich muss ein wenig nachdenken. Es ist immer noch nass und kalt ist es hier inzwischen auch. „Wir nehmen ein Auto.“, sagt der eine und überzeugt mich mit seinen Worten. Ich bin noch nie mit dem Auto in die Dörfer gefahren und denke mir, dass ich so zumindest nicht nass werden kann.

Im Dorf angekommen sollte ein anderer Umstand meinen semi-genialen Plan durchkreuzen. Die Wege im Dorf sind nicht geteert. Auch wächst auf den viel benutzen Pfaden kein Gras. Der Regen tat sein Übriges. Der vorher gut begehbare, passable Untergrund verwandelte sich in ein Meer aus Schlamm und Pfützen. Die zu besuchende Schule liegt tief im Dorf innern. Ich krempele meine Hose hoch und bewege mich so vorsichtig wie möglich durch den Schlamm. Eine Zeit lang schaffe ich es ohne Probleme mich fortzubewegen, als mein linker Fuß von einer kleinen Erhöhung abrutscht und tief im Matsch versinkt. Mit äußerster Kraftanstrengung ziehe ich meinen Fuß aus dem Schlamm und muss feststellen, dass meine Hose, die ich heute Morgen frisch angezogen hatte, schon jetzt beträchtliche Flecken aufweist.

Ich erreiche den Punkt, an dem es mir egal ist, wie meine Hose oder meine Schuhe aussehen und stiefele jetzt nur noch so schnell wie möglich auf die Schule zu. Angekommen bereue ich diesen Entschluss, weil mir nun eineinhalb Stunden Schule bevorstehen. Im Klassenraum mache ich gute Miene zum bösen Spiel und überspiele mein Unwohlsein. Ich begrüße die Kinder und ein jeder stellt sich vor. Nach Bengalisch kommt Mathe. Ich darf sogar die Aufgaben der Kinder auf den Schiefertafeln abzeichnen. Ich komme mir allerdings etwas dumm vor, weil ich vermutlich länger für die schriftliche Multiplikation brauche als die Drittklässler. Die bengalischen Zahlen sind anders und so sieht beispielsweise eine „4“ aus wie unsere acht und eine „7“ sieht aus wie unsere neun.

Ich bin froh, als wir die Schule wieder verlassen. Meine Schuhe sind in der Zwischenzeit im Boden versunken. Glücklicherweise kann ich am Brunnen die Schuhe und mir meine Füße waschen. Gerade als ich mich wieder sauber fühle, fällt mir der Rückweg ein.

Freitag, 24. Oktober 2008

Kinderpark

24.10.2008

"Alles dreht sich. Die aufkommende Übelkeit macht meinem Magen zu schaffen. Ich muss lachen und setze mich."

Es ist früher Nachmittag. Ich habe frei und zu dritt machen wir uns auf den Weg. Unser Ziel ist zu Fuß erreichbar. Nach ein paar Minuten sind wir da. Ich kaufe drei Eintrittskarten und wir betreten den Park. „Shishu Uddan“ steht auf dem Ticket. „Shishu“ bedeutet Kinder.

Ein langer Weg führt uns an einem See vorbei. Auf der anderen Seite fahren Leute Tretboot. Angepflanzte Bäume schmücken den Park und Tierfiguren aus Plastik sind alle paar Meter aufgestellt. Es ist ruhig und wir spazieren eine Weile. Wir umrunden den See und durchlaufen einen Gang aus Kletterpflanzen. Uns kommen immer wieder Leute entgegen. Meisten Männer. Kinder habe ich bisher noch nicht gesehen und ich frage mich, warum der Park dann so heißt.

Ein zweiter See erstreckt sich vor uns. Der schmale Weg neben dem See ist auf der anderen Seite durch eine Mauer begrenzt. Die Bäume stehen hier nicht mehr in einer Reihe. Ich stolpere über eine der Wurzeln, kann mich aber fangen und falle nicht. Meine Kollegen amüsieren sich und machen Bilder.

Nach etwa 45 Minuten haben wir fast den ganzen Park gesehen und gehen wieder Richtung Eingang. Kurz vor Ausgang erschließt sich mir der Grund der Namensgebung. Ein Platz mit Rutschen, Schaukeln und anderen Spielgeräten steht hier umsonst zur Verfügung. Doch die Tatsache, dass sich auch hier keine Kinder aufhalten macht mich etwas stutzig. Stattdessen schaukeln, wippen und rutschen 30-jährige Männer in Anzughose und Hemd. Meine Kollegen weisen auf ein Karussell. Mit aller Kraft bringe ich das Karussell zum Drehen. Einer meiner Kollegen ist mit eingestiegen. Ich gebe solange Schwung bis er mich anweist zu stoppen. Wir schaffen es geradeso das Gerät zu verlassen und taumeln zu einer Sitzbank.

Montag, 20. Oktober 2008

Teeweisheiten

20.10.2008

"Ich sitze auf einer schmalen Holzbank. Den überdachten Sitzplatz wärmt ein kleines Feuer. Eine Glühbirne erhellt den kleinen Ort am Straßenrand."

Es wird langsam dunkel. Ich mache Feierabend und schalte mein Laptop aus. Mit Handy und etwas Geld in der Tasche schließe ich mein Zimmer mit einem kleinen Schloss ab. Ein Arbeitskollege kommt mir entgegen. Ich frage ihn, ob er mit raus geht. Zusammen verlassen wir das Bürogebäude. Die Straßenlaternen beleuchten den kleinen, geteerten Weg sehr spärlich.

Wir passieren einen kleinen Laden. Der Besitzer grüßt mich und ohne anzuhalten erkundige auch ich mich nach seinem Befinden. Einige Meter weiter teilt sich die Straße und wir steuern auf eine Teebude zu. Ein kleiner Tresen mit Keksen, Süßigkeiten, Pan und Zigaretten bildet die Front des Ladens. Wir schieben uns am Tresen vorbei und setzen uns auf eine Holzbank dahinter. Vor uns ein Tisch, der auf dem erdigen Untergrund etwas schief steht. Die Bude begrenzt ein Gerüst aus Bambus, das mit Wellblech bedeckt ist.

Zwei Gläser Wasser werden vor uns abgestellt. Ich nehme einen Schluck. Das Brunnenwasser schmeckt eisenhaltig und ich stelle das halbvolle Glas wieder ab. Wir bestellen zwei „Lal Cha“. Das ist roter Tee. Es gibt in den meisten Läden nur eine Teesorte. Trotzdem gibt es viele verschiedene Varianten. So kann man neben dem normalen, roten Tee auch Tee mit Kondensmilch, Tee mit Ingwer, starken Tee, halben Tee (etwas schwächer) oder Limonentee bestellen.

Auf einem kleinen Ofen stehen drei Teekessel. Der Ladenbesitzer nimmt den einen Kessel und füllt ein Teeglas halbvoll mit kochendem Tee. Das kochende Wasser aus dem zweiten Kessel, lässt er durch ein Sieb mit Tee laufen und füllt so die Gläser auf. Neben Zucker kommt immer noch ein Stückchen Ingwer in den Tee. Der Tee wird einmal umgerührt und landet dann vor uns auf dem Tisch.

Wir sitzen noch eine Weile in der kleinen Bude, knabbern an einem Keks und unterhalten uns.

Freitag, 17. Oktober 2008

Preiszuschlag

17.10.2008

"Endlich Freitag. Freitag?! Wie der Name schon sagt, habe ich heute das erste Mal frei."

Es ist 8 Uhr morgens. Ich bin mitten im Tiefschlaf und habe mich schon gestern Abend auf Ausschlafen eingestellt. Doch irgendjemand hämmert gegen meine Tür. Ich brauche eine Weile, bis ich reagiere. Frühstück. „Das hätte ich ruhig auslassen können.“, denke ich mir und trotte in den Speisesaal. Ich verschlinge einen halben Teller warmen Reis mit Dal und verschwinde wieder im Bett.

13 Uhr. Es hämmert wieder an meine Tür. Mittagessen. Diesmal bin ich froh, dass es was zu essen gibt und verschlinge einen ganzen Teller Reis mit Dal und etwas Gemüse. Das war also mein Freitag. Glücklicherweise nicht ganz. Gerade als ich mich wieder hinlegen will, kommt jemand in mein Zimmer. Spontan wurde entschlossen mit mir einen Ausflug zu machen. Jetzt sofort. Ich deute an kurz duschen zu gehen. Fünf Minuten später stehe ich fertig vor der Tür.

Nach etwa 40 Minuten geht es dann endlich los. Drei Arbeitskollegen und ich verlassen auf zwei Motorrädern das Bürogebäude. Die Fahrt ist relativ lang und ich frage mich, wo es wohl hingehen soll. Auf halber Strecke machen wir eine Pause und trinken einen Tee. Dann geht es weiter. Mittlerweile weiß ich, dass wir nach Paharpur fahren und dass es dort wohl ein Museum geben soll. Das klingt zumindest interessant.

Wir steigen von den Motorrädern und gehen zum Eingang. An der Pforte prangt ein großes Schild mit den Eintrittspreisen. Ich freue mich, dass es so wenig ist und gehe an den Schalter. Ich gebe das Geld durch das Loch in der Scheibe und warte auf meine Karte. Der Mann am Schalter guckt mich etwas fragend an. Er deutet auf meine Arme und sagt: “Bideshi!“. Ich verstehe nicht ganz, was das mit meiner Karte zu tun haben soll und antworte: „Na und?“. Der Mann deutet auf das Preisschild. Ich drehe mich zur Seite und entdecke neben den bengalischen Buchstaben auch englische Wörter. Unter dem Punkt „Foreigners Only“ weicht der Eintrittspreis erheblich von dem normalen Preis ab. Ich soll das Zehnfache bezahlen. Einfach, weil ich Ausländer bin. Ich muss lachen.

Ich gucke meine Kollegen an und frage, ob ich wirklich das Zehnfache des Preises bezahlen muss. Missmutig drehe ich mich wieder zum Schalter und bezahle. Dabei frage ich den Mann an der Kasse, ob ich wenigstens eine persönliche Führung und Tee gereicht bekomme. Mit ernster Miene weist er meine Anfrage ab. Ich weiß nicht genau, was ich davon halten soll und gehe durch den Eingang.

Wir betreten das Museum und ich erfahre endlich, was es mit dem Ort auf sich hat. In dem Museum befinden sich Fundstücke aus der umliegenden, buddhistischen Klosteranlage. Diese Anlage, auch Vihara genannt, steht auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Erst als wir das Gebäude verlassen, sehe ich den großen Schrein einige hundert Meter von dem Museum entfernt. Das Kloster besteht aus einer großen, quadratischen Fläche. Das Zentrum bildet eine Stupa (Denkmal und Zeichen des Buddhismus), die etwa 25 Meter hoch ist. Auf drei Terrassen kann man dieses Hauptheiligtum aus dem 8. Jahrhundert besteigen und bewundern.

Auch wenn der Preis für mich deutlich höher war, hat es sich gelohnt.

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Überraschungsfleisch

16.10.2008

"Das Essen in der Kantine ist sehr gut. Einseitig, aber man wird satt. Nachdem es in den letzten Tagen Fisch gab, gibt es heute endlich mal wieder Fleisch."

Man könnte sagen, dass ich zurzeit auf einer Reis Diät bin. Hier in meiner Partnerorganisation gibt es auch zum Frühstück Reis. In verschiedenen Variation, aber morgens oft scharf. Mittags und abends gibt es dann meistens auch noch etwas Gemüse oder Fisch. Fleisch ist eigentlich eher selten. Umso mehr habe ich mich dann heute gefreut, als ich hörte, dass es zum Abendessen Fleisch geben soll.

Ich setze mich, nehme eine große Portion Reis und etwas Dal. Der Koch kommt vorbei. In seiner Hand eine große Schüssel. Ich gucken ihn fragend an: „Fleisch?“. Er überlegt ein bisschen und gibt mir dann ein ausgewähltes Stück. Das gute Stück sieht ein wenig anders aus als das Fleisch, was ich sonst hier hatte. Ich fange an zu essen.

Erst verschlinge ich etwas Reis und Dal. Das Fleisch sagt mir nicht wirklich zu. Am Rand postiert, entschließe ich mich doch etwas davon zu essen. Ich hatte ja extra darum gebeten. Ich nehme das Stück in die Hand. Etwas glitschig wegen der Soße, rutscht es mir wieder auf den Teller. „Also erst Reis.“, denke ich mir und nehme etwas Reis in die Hand und nehme dann das Stückchen wieder in die Hand. Ich beiße einmal herzhaft ab. Noch bevor ich schlucke, halte ich inne.

Der Begriff „Fleisch“ wird wohl etwas weiter gefasst. Ich esse meinen Reis auf und lasse das große Stück Leber auf meinem Teller zurück. Wieder kein Fleisch.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Holzwecker

14.10.2008

"7:28 Uhr. Ich drehe mich wieder auf die Seite und versuche noch ein wenig zu schlafen. Vergebens."

Es knackt. Ich schrecke hoch. Es ist dunkel. Ich taste nach meiner Taschenlampe neben mir. Schon wieder. Wieder ein Knacken diesmal lauter als vorher. Ich leuchte durch das Mückennetz ins Zimmer. Alle Türen und Fenster sind gut verschlossen. Plötzlich ist das Geräusch direkt unter mir. Jetzt erst begreife ich die Ursache der nächtlichen Störung. Mit meiner geballten Faust hämmere ich einmal heftig auf mein Bett. Es ist wieder ruhig.

Der Holzwurm hat mich gestern schon gestört. Ich schaue auf mein Handy. 5:42 Uhr morgens. „Wenn ich schon mal wach bin, kann ich auch gerade ins Bad gehen.“, denke ich mir, nehme die Taschenlampe und hebe das Mückennetz an. Ich gehe zur Badezimmertür, mache von außen das Licht an und betrete den kleinen Raum. Ich drehe mich zur Toilette und bleibe etwas erschrocken stehen. Die Spinne im Fenster könnte mit ihren langen Beinen gut und gerne meine Handfläche ausfüllen. Ich überlege, was ich machen kann. Mit dem Vieh direkt über mir, setze ich mich zumindest nicht auf Toilette. Der kleine Eimer zum Spülen scheint mir eine gute Idee zu sein.

Ich ziele auf die Spinne. Das viele Wasser hat sie zumindest verjagt. Gerade als ich das Bad wieder verlassen will, kommen aus dem Nebenzimmer Geräusche. Durch ein kleines Fenster über mir in der Wand scheint Licht in mein Bad. Eine Person betritt das Badezimmer auf der anderen Seite. Die Dusche wird aufgedreht. Ich mache mein Licht aus und schließe die Tür hinter mir. Es ist mittlerweile 6:04 Uhr. Ich lege mich wieder hin. Als ich liege, höre ich den Koch unter der Dusche singen. Ich mache die Augen zu und ignoriere das Gesinge.

Ich brauche ein bisschen, aber dann schlafe ich wieder fest. Ich fühle mich als wäre ich gerade erst eingeschlafen, als mich erneut etwas aufwachen lässt. Ein Hahn. Viele Geräusche von draußen dringen durch die beiden Fenster neben mir. Sie sind zwar verschlossen, aber ohne Glasscheiben halten sie den Schall sehr schlecht ab. Das Krähen folgt einem gewissen Takt und lässt mich nicht wieder einschlafen. Ich gucke auf die Uhr. Fast schon wieder Zeit zum Aufstehen.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Regentanz

09.10.2008

"Nass bis auf die Knochen sitze ich unter einen Plastikplane. Laute Musik lässt den Untergrund beben. Neben mir ein brummender Motor. Ölgeruch steigt mir in die Nase. Es wird gefeiert und ich frage mich, wie ich hier hergekommen bin."

Es wird langsam dunkel, als ich mich mit einer anderen Freiwilligen auf den Weg nach Old Dhaka mache. Wir nehmen ein CNG und steuern den Pink Palace an. Es fängt an zu regnen. Glücklicherweise werden wir im CNG nicht nass und nach etwa 30 Minuten erreichen wir unser Ziel. Die Auto-Rickshaw hält an. Die Regentropfen erzeugen das einzige Geräusch um uns herum. Der Regen wird heftiger. Obwohl wir schon bezahlt haben, bleiben wir sitzen. Heute wird Durga Puja gefeiert. Ein Fest der Hindus zu Ehren der Göttin Durga. Und eigentlich sollte die große Feier genau hier in Old Dhaka am Pink Palace stattfinden.

Ein bisschen enttäuscht überlegen wir, ob es wohl schon zu spät ist. Wir fahren weiter und kommen eine Straße weiter in einen Stau. Musik ist zu hören. Es regnet immer noch sehr heftig. Die Musik wird lauter. Der Grund für den Stau ist die blockierte Kreuzung einige Meter von. In dem Licht der Straßenlaternen tanzen Leute wie toll im Regen. Eine Gruppe von jungen Männern springt zu einer Art indischer Dancehall-Musik wild durch die großen Pfützen auf der Straße. Das muss es sein – Durga Puja. Wir steigen aus und rennen Richtung Musik durch den Regen.

Große Laster voll mit Leuten fahren in Schritttempo an uns vorbei. Wie bei deutschen Karnevalsumzügen werfen die Leute mit Kammelle. Alle unter Plastikplanen verstaut wehren sie den Regen ab. Der Stimmung schadet das nicht und alle scheinen das Fest zu genießen. Wir stehen mittlerweile unter einem kleinen Häuservorsprung und beobachten das Spektakel aus dem Halbtrockenen. Neben den Menschen befördern die Laster auch noch große Götterstatuen. Die knallbunten Abbilder werden traditionell im Fluss versenkt. Um auch das mit ansehen zu können, entscheiden wir uns dafür durch den Regen zu rennen. Immer den großen Laster hinterher.

Die Straße wird enger. Der viele Regen hat die Gasse in einen einzigen See verwandelt. Ich krempele meine Hose hoch und steige durch die kniehohe, braune Brühe. Die Situation ist inzwischen etwas unangenehm. Der Regen und meine total durchnässte Kleidung sind weniger schlimm als das Wasser unter mir. Gerade als wir überlegen, dass es besser sei umzukehren, bietet uns ein Laster an aufzusteigen. Ohne zu überlegen nehmen wir die Einladung an.

Nun sitzen wir also hier. Laute Musik neben uns, Ölgeruch in der Luft, eine Plastikplane über uns und viele, feiernde Menschen um uns herum.

Dienstag, 7. Oktober 2008

Fremdfarbend

07.10.2008

"Es ist ein normaler Tag. Ich sitze auf einer Rickshaw und fahre durch die Stadt. Ein kleines Mädchen guckt mich erst mich großen Augen an, hebt dann den Arm und zeigt mit dem Finger auf mich. „Bideshi, Bideshi, Bideshi!“"

Eines der ersten Wörter, die man lernt, ist wohl „Bideshi“. Man fällt als „Fremder“ eben auf. Sobald jemand „Bideshi“ ruft, drehen sich die meisten Köpfe nach einem um. Jeder will den Ausländer sehen. So kann es einem beim Einkaufen passieren, dass ein paar Leute vor dem Laden stehen bleiben und einen beobachten. Es bildet sich dann langsam, aber sicher, eine Ansammlung von Menschen. Auch wenn das Einkaufen länger dauert, lassen sich die meisten nicht beirren. „Bideshi gucken“ ist eben besser als nichts zu tun.

Ich stehe an der Straße und warte auf die anderen Freiwilligen. Jemand tippt mir auf die Schulter. Ich drehe mich um und gucke den Mann an. „Excuse me! Your country?“, fragt mich eine wildfremde Person. Ich schätze, dass der Herr vor mir wohl um die 30 Jahre alt sein muss. „Germany.“, antworte ich. „Japan?“, erwidert der Mann, um sicher zu gehen, dass er mich richtig verstanden hat. „No, Germany!“, wiederhole ich meine Antwort. „Ah, Jarmani.“ Er bedankt sich, dreht sich um und geht weg. Solch ein Gespräch ergibt sich recht häufig. Neben dem Land, wollen die meisten Leute auch noch den Namen wissen.

Ich sitze vor einem kleinen Laden. Neugierig kommen die ersten Leute an. Schnell finden sie heraus woher ich komme und wie ich heiße. Da ich mich gesetzt habe, muss ich wohl Zeit haben. Die Gruppe um mich herum hat einen Sprecher auserkoren. Der ältere Mann spricht etwas englisch. Brav beantworte ich alle Fragen. „Wie heißt dein Vater? Was arbeitet er? Bist du zu Besuch hier? Wie lange bist du schon hier? Gefällt dir Bangladesch? Wie alt bist du? Hast du Geschwister? Leben deine Eltern in Deutschland? In welcher Stadt wohnst du? Kommst du aus West- oder aus Ostdeutschland? Bist du verheiratet?“ Irgendwann gehen den Leuten die Fragen aus. Die Menge wird weniger und die meisten sind zufrieden. Noch schnell ein Bild mit dem Handy gemacht und der Tag ist perfekt. Ich habe inzwischen meinen Tee getrunken und darf nun auch gehen.

Wir wurden eingeladen, uns eine kleinere Stadt an zu gucken. Fünf hellhäutige Menschen auf einer Straße in einer kleinen Stadt. Die ersten paar Meter ernten wir nur neugierige Blicke. Wir gehen die Straße weiter entlang. Nach und nach folgen uns Menschen. Ich stelle mir vor, wie es wohl wäre, wenn wir stehen blieben. Vermutlich würden wir einen üblen Stau in der kleinen Stadt verursachen. Wir erreichen einen Bahnhof und betreten die Stufen der Überführung. Die Masse die gerade noch hinter uns war, wartet unten. Als Gruppe kann man gerade in kleinen Städten schnell zu einer Attraktion werden. Der einzige Vorteil: die Fragen werden weniger.

Samstag, 4. Oktober 2008

Schwemmland

04.10.2008

"Grüne Reisfelder wohin das Auge reicht. Ich spüre deutlich jedes Schlagloch des holprigen Feldweges – die größte Straße der Umgebung. Die pralle Sonne scheint schon den ganzen Tag. Fahrtwind weht mir ins Gesicht."

Nach knapp 45 Minuten erreichen wir ein kleines Dorf irgendwo in Gaibandha. Es ist Vormittag, dennoch herrscht eine ungeheure Hitze. Wir gehen einen kleinen Pfad entlang. Hohe Bambussträucher säumen den Weg und bilden abseits einen kleinen Wald. In einem kleinen See baden Kinder und Frauen waschen Kleider. Große Konstrukte aus Bambus zum Fischen stehen im See verteilt. Die Pflanzen um uns herum werden weniger und der Weg endet abrupt. Wind weht. Vor uns Klippen aus Erde und ein Meer mitten in Bangladesch. Der Jamuna ist einer der größten Flüsse im Land. Bei Flut ist er an manchen Stellen 14 km breit. Die letzte Flut hat deutliche Spuren hinterlassen. Wo vorher Weg war, ist nun die neue Anlegestelle der Boote. Wir klettern die Klippen herab und besteigen das Boot.

Die Wasseroberfläche spiegelt die Sonnenstrahlen. Den einzigen Schutz bietet ein flaches Dach aus Wellblech in der Mitte des Holzbootes. Wir treiben eine Weile mit der Strömung, bis ein Motor angemacht wird. Weit und breit ist nichts als Wasser zu sehen. Nur am Horizont ist ein kleiner Streifen Land zu erkennen. Der Motor lässt den kompletten Unterbau wackeln. Das Holz sieht alt und teilweise morsch aus. Unter dem Wellblechdach ist es stickig. Wir sind nun schon 30 Minuten unterwegs. Das Dorf und die Anlegerstelle werden immer kleiner. Uns wird versichert, dass wir unser Ziel in der nächsten halben Stunde erreichen.

Mit meinem Taschenmesser fange ich an eine grüne Kokosnuss anzuschneiden. Die Frucht ist schwer und die Milch deutlich hörbar. Nachdem ich das obere Viertel abgetrennt habe, steche ich nur noch die Mitte kurz an. Wir teilen uns den Inhalt. Als ich den letzten Schluck nehme, ist unser Ziel nur noch ein paar Meter vor uns. Eine kleine Insel im großen Fluss. Die so genannten Chars sind Inseln, die während einer Flut fast komplett überschwemmt werden. Auch auf dieser Insel gibt es mehrere Dörfer. Die Menschen hier zählen zu den ärmsten Leuten Bangladeschs, weil nie sicher ist, ob nicht vielleicht das Haus oder die Ernte weggeschwemmt wird. Das Boot legt an und wir betreten die Insel. Der Untergrund ist sandig. Auch einige Meter vom Ufer entfernt ändert sich daran nichts. Trotzdem wird hier versucht Reis und andere Pflanzen anzubauen. Wir schauen uns die Dörfer und die „Flood Shelter“ an, die von NETZ unterstützt werden. Der Flutschutz ist ein Gebäude, das höher als das Dorf liegt und während der Flut nicht überschwemmt wird.

Wir wandern noch ein wenig über die Char. Ich bin in Gedanken versunken. Die Landschaft erinnert mich an Nordseeinseln.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Wartestunden

02.10.2008

"Es ist immer nett eingeladen zu werden. Es gibt gutes Essen, es ist nie langweilig und man lernt viele, nette Leute kennen."

Frühstück ist in Bangladesch eine warme Mahlzeit. Ich liege auf meinem Bett und döse ein wenig. Viel essen macht müde. Eid ul-Fitr ist das höchste Fest der Moslems. Das Datum variiert von Jahr zu Jahr, da es sich am Mond orientiert. Wir haben Glück, dass wir uns während der Feiertage in Gaibandha aufhalten. Vergleichbar mit Weihnachten ist es ein Familienfest, Gäste werden aber immer besonders herzlich empfangen. Wir haben bereits das Frühstück hinter uns. Die erste Einladung wahrgenommen. Es ist kurz nach zehn. Wir mussten früh aufstehen und die Einladung zum Mittagessen ist bereits um 11 Uhr.

Eine junge Dame kommt in unser Zimmer und holt uns ab. Ich bin immer noch satt vom Frühstück. Wir brauchen glücklicherweise fast eine halbe Stunde, um das Haus des Präsidenten von USS, einer Partnerorganisation von NETZ, zu erreichen. Ich steige vom Rickshaw-Van und wir betreten das Haus. Wir werden herzlich empfangen und sofort gebeten uns zu setzen. Stühle werden gebracht. Nun sitzen wir im Wohnzimmer. Die Gastgeber sind wieder verschwunden und lassen uns alleine. Nach ein paar Minuten gibt es Wasser und Kekse. Die Gastgeber bleiben weiterhin unserer Runde fern. Wir unterhalten uns und warten darauf, dass irgendetwas passiert. Es dauert eine Weile, dann werden wir der Familie vorgestellt. Inzwischen wurden Möbel nach draußen getragen. Ein großes Sofa, zwei breite Sessel und ein paar Stühle stehen nun im Hinterhof des Hauses. Der Hof ist relativ groß und wir erfahren, dass er gleichzeitig Pausenort für die angrenzende Schule ist.

Wir sitzen draußen im Kreis und wieder wird uns Wasser gebracht. Dazu gibt es kleine Snacks. Der Gastgeber saß kurze Zeit bei uns, ist aber mittlerweile wieder im Haus verschwunden. Es ist Viertel nach zwölf. So langsam kommt mein Hunger wieder, aber ich habe das Gefühl, dass es wohl noch etwas dauern wird. 12:45 Uhr. Wir sitzen immer noch draußen. Es hat sich nichts großartig getan. Ein Mann mit Netz kommt vorbei und beginnt am See, der an den Hof grenzt, zu angeln. Ich stehe auf und gehe zu ihm hinüber, um den Fang zu begutachten. Kleine Fische kommen wieder in den Teich, große in einen Eimer. Ich frage mich, ob das eventuell unser Essen wird. Der Mann verschwindet mit Eimer und Netz auch im Haus.

Obwohl wir alle festlich gekleidet sind, fangen wir an Fußball zu spielen. Ich trage einen Panjabi, ein Geschenk der Partnerorganisation zum Eid-Fest. Das lange Hemd ist eine traditionelle Kleidung in südasiatischen Ländern. Der Baumwollstoff ist luftig und angenehm zu tragen, auch wenn es etwas ungewohnt ist. Es ist fast 14:30 Uhr als wir ins Haus gebeten werden. Wir betreten einen Raum mit einer kleinen Couch, einem Bett und ein paar Stühlen. Die Aufforderung zum Setzen erfolgt prompt. Wir setzen uns und bekommen erneut Wasser und Kekse. Man kann das Essen mittlerweile riechen, aber wir werden wieder alleine gelassen.

Ein paar Minuten später werden wir in einen anderen Raum geführt. Diesmal setzen wir uns auf den Boden. Der Gastgeber bleibt stehen und das Essen wird hereingeholt. Reis, Dal, Gemüse, Fisch und Fleisch finden sich in verschiedenen Töpfen vor uns auf dem Boden. Jedem wird Glas und Teller gereicht. Auch das Auffüllen ist Aufgabe des Gastgebers. Jetzt habe ich wirklich Hunger und freue mich auf das Essen. Sobald zu wenig auf dem Teller liegt, gibt es einen großen Nachschlag. Das Essen schmeckt sehr gut. Die Gastgeberfamilie isst nicht.

Wir sind ungefähr eine halbe Stunde mit Essen beschäftigt, gehen noch mal raus und warten bis alles abgeräumt ist. Erneut werden wir ins Haus gebeten, verabschieden den Gastgeber und danken für das gute Essen. Die nächste Einladung wartet schon.

Dienstag, 30. September 2008

Geheimgänge

30.09.2008

"Gebückt steige ich die Treppe hinauf. Um eine kleine Ecke geht es immer weiter nach oben. Licht am Ende des Tunnels. Ich betrete eine kleine Terrasse. Das Sonnenlicht blendet."

Es ist morgens. Zu dritt sitzen wir in einem CNG und fahren Richtung Altstadt. Angekommen treffen wir zwei Bengalen, die regelmäßig Führungen anbieten. Sie hat lange graue Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden sind. Er hat auch graues Haar und trägt einen grauen Schnurrbart. „Old Dhaka besitzt noch heute Gebäude aus der Moguln Zeit, die über 400 Jahre alt sind. Unter britischer Krone haben sich viele dieser Gebäude verändert. Meistens wurden sie erweitert oder umgebaut.“, erklären sie uns, bevor wir in eine kleine Seitenstraße einbiegen. Kleine Läden reihen sich aneinander. Viele Geschäfte der „Hindu Street“ verkaufen religiöse Gegenstände.

Wir betreten einen Laden. Es ist ein einziger Raum. Ohne Schaufenster und Tür bildet die Öffnung in der Fassade des mehrstöckigen Gebäudes den Eingang. Trotz des Ventilators und der großen Luftzufuhr ist es heiß. Hinter einem kleinen Tresen hocken zwei Männer. Kleine Vitrinen präsentieren weiße Armreifen, die eine frisch verheiratete Frau traditionell solange trägt, bis der Mann stirbt. Uns wird erklärt, dass der Schmuck aufwändig aus großen Muscheln hergestellt wird. Die Muscheln werden erst in Scheiben geschnitten und aus den einzelnen Teilen entstehen dann Ringe. Diese werden durch schleifen und feilen verschönert und verziert.

Wir verlassen das Geschäft, folgen der Straße und schauen immer wieder in andere kleine Läden hinein. Festschmuck aus Styropor mit Lametta, Hochzeitskronen, Flugdrachen, traditionelle Musikinstrumente, Gebrauchsgegenstände für den Haushalt, kleine Snacks, Tee und Süßigkeiten, Bilder von Göttern in goldenen Rahmen und noch viel mehr wird dicht an dicht angeboten. Wir bleiben vor einer kleinen Nische in der Wand stehen. Auf den ersten Blick kaum merkbar, erkennt man einen Eingang.

Ein langer Flur breitet sich vor und aus. An den Wänden hängen alle paar Meter Glühbirnen, die den Gang in ein warmes Licht tauchen. Die Decke hängt tief und ich muss mich bücken, um vorwärts zu kommen. Um eine Ecke führt eine Treppe steil nach oben. Die Stufen sind schmal und hoch gebaut. Der erste Stock gleicht dem Erdgeschoss - ein langer Gang an dessen Seiten Durchgänge zu erkennen sind. Am Ende des Flures steht eine Tür offen. Ein kleines Zimmer in das gerade so ein Bett passt wird von einer Familie bewohnt. Wir grüßen und besteigen das nächste Stockwerk. Die Treppe ist nicht mehr so hell beleuchtet und jeder Schritt muss wohl gewählt sein.

Zwei Ecken und unzählige Stufen weiter scheint Tageslicht in den Raum. Eine Terrasse eröffnet sich vor uns. Das ehemals vorhandene Dach ist teils abgebrannt. Große steinerne Bögen begrenzen den Vorbau. „Die Bögen sind mehrere hundert Jahre alt und werden von der Regierung kaum beachtet. Es wird gewartet bis alles zerfällt, damit man neue Häuser bauen kann. Wir kämpfen für die Restaurierung und den Denkmalschutz dieser Orte.“ Der Aufwand der Herstellung und die Vorstellung, wie es wohl früher aussah, beeindrucken mich. Wir verlassen das Gebäude und suchen weitere architektonische Überreste der letzten Jahrhunderte.

Sonntag, 28. September 2008

Pflanzenschirm

28.09.2008

"Es gibt nicht viele Orte an die man sich zurückziehen kann. Menschenmengen, Abgasgeruch und Lärm zeichnen den Alltag. Irgendwo weit im Norden, in den Außenbezirken Dhakas findet sich eine grüne Oase."

Ich laufe die „Mirpur Road“, eine der größten Hauptstraßen Dhakas, entlang. Es tröpfelt. Kühler als sonst schwitze ich weniger. Der Smog hängt in meiner Nase. Der Bürgersteig unter meinen Füssen ändert sich stetig. Teilweise muss ich mitten auf der Straße laufen. Ich bin mittlerweile eine halbe Stunde unterwegs. Auf einer großen Kreuzung nehme ich meine Karte zur Hand und überlege, ob ich noch richtig bin. Es gibt wenige Straßenschilder. Eine Tatsache, die mir nicht weiterhilft. Ich müsste ein Drittel der Strecke geschafft haben. Für das letzte Stück nehme ich mir ein CNG. In weniger als 20 Minuten finde ich mich vor zwei großen Eingängen wieder. Auf dem linken Eingang thront ein großer Bogen: „Zoo“. Ich nehme den anderen Eingang und bezahle an einem kleinen Schalter fünf Taka.

Die Geräusche der Großstadt beginnen zu verschwinden, als ich den schmalen, geteerten Weg im Botanischen Garten Dhakas immer weiter geradeaus entlang gehe. Es nieselt. Bäume säumen den Weg. Durch den Wald erkenne ich einen See. Am Ufer liegen zwei Boote und ich werde gleich gebeten mit zu fahren. Ich gehe weiter. Der Rasen besteht aus großen Grashalmen, deren Blätter zu einem Baum gehören könnten. Ein kleiner gepflasterter Pfad führt mich in einen Wald. Alles ist grün. Die Blätter der Baumkronen um mich herum werfen große Schatten auf den Boden. Es ist ruhig. Das einzige Geräusch kommt von den Regentropfen, die auf die Pflanzen prasseln.

Ich bleibe stehen und atme tief durch. Frische Luft. Der Regen wird stärker. Die Tropfen durchdringen die Baumkronen. Ich stelle mich dicht an einen Baumstamm. Es ist nicht mehr ruhig. Plötzlich erfüllt den ganzen Wald ein angenehmer Lärm. Es gewittert. In naher Entfernung steht ein Gebäude. Ich renne durch den Wald und kann mich glücklicherweise unter dem Turm unterstellen. Mit mir haben sich ungefähr zehn andere Menschen, drei Ziegen und ein paar Hühner vor dem Regen gerettet. Es wird dunkel. Hin und wieder erhellen Blitze den Wald. Ich lehne mich an die Wand und beobachte den Regen.

Es dauert fast 45 Minuten als der Regen etwas schwächer wird. Ich halte es für die beste Entscheidung die Chance zu nutzen und zu gehen. Nach einer Weile erreiche ich den Hauptweg. Mit zügigem Schritt bewege ich mich Richtung Haupteingang. Es ist mittlerweile dunkel und es regnet immer noch. Der Weg ist lang und gerade. In der Ferne liegt irgendetwas Großes genau in der Mitte des Weges. Bevor ich mich fragen kann, warum sich jemand bei solch einem Wetter auf den Boden legen sollte, stelle ich fest, dass dort kein Mensch liegt.

Ein Blatt, so groß wie mein gesamter Oberkörper liegt nun direkt vor mir. „Gut, dass es weiterhin regnet“, denke ich und freue mich über meinen neuen Regenschirm.