Herzlich Willkommen auf meinem Blog!


Diese Seite soll mir helfen Euch meine Erfahrungen, meine Eindrücke und meinen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Bangladesch näher zu bringen.

Von September 2008 bis August 2009 arbeite ich zusammen mit NETZ Bangladesch bei der Entwicklungsorganisation Ashrai. In dieser Zeit bin ich in einem Grundbildungsprogramm in der Region um Joypurhat tätig.

Nähere Infos zu dem Projekt findet Ihr "hier".

Ich werde mich bemühen regelmäßig aus Bangladesch zu berichten. Ihr habt zu jedem Post die Möglichkeit Kommentare abzugegen. Solange nicht anders gewünscht, werde ich die Kommentare nach einer Prüfung meinerseits veröffentlichen. Gerne dürft Ihr mir auch auch E-Mails schreiben oder mich auf eine andere Weise kontaktieren.


Peter


Samstag, 31. Januar 2009

Weisheitsgöttin

31.01.2009

"Hätte ich gewusst, dass aus dem geplanten Morgenausflug ein ganzer Tagesausflug wird, wäre ich vielleicht nicht mitgekommen."

Der Nachtwächter klopft ein mein Fenster. Ich öffne und wir unterhalten uns eine Weile. Bevor ich mich von ihm zum Schlafen verabschiede, lädt er mich ein. „Morgen feiern wir eine große Puja. Willst du mit?“, fragt er mich und freut sich dann, als ich zustimme. Es ist sieben Uhr morgens, als es wieder an mein Fenster klopft. Ich wache auf und öffne etwas verschlafen. Ich soll mich beeilen, es ginge gleich los. Also dusche ich mich schnell, ziehe mich an und frühstücke. Zwanzig Minuten später stehe ich startbereit vor dem Büro. Und wie versprochen geht es auch schon los. Das Dorf des Nachtwächters erreiche ich mit der Rickshaw in knapp einer halben Stunde. Er fährt mit dem Fahrrad nebenher. Es ist ein kühler und etwas nebeliger Morgen.

Die Rickshaw hält an der Hauptstraße an. Den Rest gehe ich zu Fuß. Wie versprochen kommen wir auch schon an den ersten Altären vorbei. Ich lasse mir erklären, dass heute zur Göttin der Weisheit gebetet wird. Große Trommeln geben den Takt der Gebete an. Wir beobachten die Szene eine Weile und gehen dann zu seinem Haus. Es ist ein kleines Häuschen aus Lehm mit einem Raum und einer kleinen überdachten Veranda. Das Dach besteht aus Stroh. Seine Frau bereitet gerade den Eingang des Hauses vor. Mit weißer und roter Farbe malt sie Fußspuren vom Altar in ihr Haus, damit die Göttin den Weg findet. Auf dem kleinen Altar vor dem Haus stapeln sich die Schulbücher der jüngsten Tochter. Die Göttin soll ihr zu guten Ergebnissen in der Schule verhelfen.

So wie die Familie des Nachtwächters haben auch die meisten anderen Familien in dem kleinen Dorf einen Altar mit Büchern aufgebaut. Die Lehmwände der Häuser sind bunt verziert und wer es sich leisten kann, hat sogar eine Statue der Göttin. Ich werde an einen großen Platz etwas abseits des Dorfes geführt. Hier soll später das eigentliche Fest stattfinden. Das ganze Dorf hat eine große Statue beschafft. Neben dem Altar ist eine Kochstelle. Das Essen wird erst als Opfergabe vor den Altar gelegt und später von allen gemeinsam gegessen. Doch bis dahin dauert es noch eine Weile. Es sieht ganz danach aus, dass die Zeremonie wohl erst nach dem Mittagessen anfängt. Bis dahin wollte ich eigentlich schon wieder im Büro sein.

Es gibt erst einmal Mittagessen. Zusammen mit dem Nachtwächter esse ich Reis und Fisch. Frau und Kinder müssen warten bis wir fertig sind. Nach dem Essen bietet er mir an, mich ein wenig auszuruhen. Er müsse noch einige Sachen erledigen und das Fest beginnt so wie so später. Also nehme ich auch dieses Angebot dankend an und lege mich auf das einzige Bett der Familie und döse. Als ich wieder aufwache ist es schon fast dunkel. Aber es dauert noch ein paar Minuten, bis der Nachtwächter wiederkommt. Nun geht es endlich zur großen Feier. Und in der Tat haben sich viele Menschen des Dorfes dort versammelt, wo vor ein paar Stunden nur wenige das Fest vorbereitet hatten. Mit lauter Musik und großem Tanz schreitet das Fest voran. Als auch ich aufgefordert werde zu tanzen und der Bitte nachkomme, scheint die Puja ein voller Erfolg zu sein.

Freitag, 23. Januar 2009

Regenschirm und Kokosnuss

23.01.2009

"Es wurde schon wieder gewählt. Diesmal wurden die regionalen Wahlen entschieden."

Schon seit den letzten Wochen flattern überall die schwarz-weißen Plakate. Alle sehen irgendwie gleich aus. Der Name des Kandidaten steht in großen Lettern auf dem Papier sowie der Posten, für den er gewählt werden möchte. Nicht vergessen werden darf das Symbol, das den Kandidaten eigentlich erst bekannt macht. Die Ideen der Werbenden scheint keine Grenzen zu haben. Der eine gibt sich mit einer Ziege zufrieden, für den anderen muss es ein Düsenjet sein. Kokosnuss, Cola-Flasche, Tintenfass, Palme, Ente, Koran, Regenschirm, Bus und Krähe treten auch zum Start an. Viele Menschen gerade in den ländlichen Regionen sind Analphabeten. Die Symbole sind daher die einfachste Lösung, um eine Wahl möglich zu machen, da sie auf den Wahllisten ebenfalls abgedruckt werden.

Es wird ein harter Wahlkampf geführt. Jeden Tag, jede Stunde gibt es eine Kolonne von Rickshaws, die über Megaphone das jeweilige Symbol verkündet, das gewählt werden soll. Auf, neben und unter den Rickshaws die Menschen, die begeisterte Anhänger sind. Ich sitze an meiner Stammteebude und verfolge das Spektakel. Von Zeit zu Zeit düst auch ein Motorradgespann vorbei. Fahnen mit aufgedruckten Symbolen flattern im Fahrtwind und laute Parolen sind gerade noch hörbar, als sie schon wieder verschwunden sind. Ich bekomme meinen Tee. Als Untersetzer dient ein kleiner Zettel. Ich betrachte ihn kurz. Die Kandidatin für den stellvertretenden Posten als Kreisvorsteherin wirbt mit ihrem Symbol der Ente. Das ist mir sympathisch und ich beschließe allen zu raten die Ente zu wählen.

Am Abend des Wahltages stehen die Ergebnisse fest. Meine Ente konnte sich leider nicht durchsetzen. Die Wahl haben die Kokosnuss und der Regenschirm für sich bestimmt.

Freitag, 16. Januar 2009

Sommerfahrt

16.01.2009

"Es wird dunkel und wir kommen etwas erschöpft im Büro wieder an. Ein schöner Tag."

Es ist Freitag. Dementsprechend wird heute nicht gearbeitet. Wir haben frei. Mein Koch, einer der Angestellten und ich wollen eine Fahrradtour machen. Der Koch lädt uns zu sich nach Hause ein. Seine Familie stellt regionale Süßigkeiten her. Also zögern wir nicht lange und beschließen den Ausflug. Jeder bekommt ein Fahrrad und ich fahre nach einem halben Jahr endlich wieder mit dem Rad. Das Wetter könnte nicht besser sein. Die Sonne scheint, aber es ist angenehm kühl. Schnell verlassen wir die asphaltierte Hauptstraße und unser Weg führt uns über die vielen kleinen Pfade, die zwischen den Feldern verlaufen.

Nach knapp einer Stunde erreichen wir das Haus seiner Familie. Es besteht wie die umliegenden Bauten aus Lehm und Stroh. Er erzählt, wer alles in seiner Nachbarschaft wohnt und dass eigentlich alle irgendwie miteinander verwandt sind. Ein großer Teich findet sich hinter dem Haus und alles ist umringt von Bäumen. Eine Lehmmauer umschließt den Innenhof. Auf der Veranda steht sein Vater vor einer großen Pfanne. In der Pfanne schmoren einige frische Süßigkeiten, die in Deutschland eher süßem Gebäck gleichen als die uns bekannten Naschereien.

Von der Stadt sieht man nichts mehr. Alles ist umgeben von Feldern. Jeder geht gelassen seiner Arbeit nach. Das angenehme, schöne Wetter macht die Idylle perfekt. Wir bekommen Mittagessen und zum Nachtisch gibt es natürlich selbst gemachte Süßigkeiten. Wir dürfen uns noch ein wenig entspannen, bevor wir die 14 Kilometer zurück nach Joypurhat fahren.

Dienstag, 6. Januar 2009

Kochstunde

06.01.2009

"Die Portion war zu groß für einen alleine. Zumindest hatte ich mal ein anderes Abendessen."

Selber kochen? Wozu hat die Organisation denn einen Koch angestellt? Andererseits bedeutet das auch, dass ich selbst bestimmen kann, was es gibt. Mein Vorschlag wird begeistert angenommen. Ich koche und die anderen, die auch im Haus wohnen, dürfen sich bekochen lassen. Nachdem ich herausgefunden habe, was alles in der Vorratskammer ist, steht der Entschluss fest. Es gibt Kartoffelbrei und Spiegelei. Ich zeige auf die Kartoffeln und sage, dass ich fünfzehn Stück brauche. Der Koch guckt mich etwas verwundert an. „So viele Kartoffeln, für drei Leute!?“, sprudelt es aus ihm heraus. Die Kartoffeln sind nicht sehr groß, viel ist es eigentlich nicht.

Die Kartoffeln sind geschält und das Wasser kocht. In einem anderen Topf brate ich Zwiebeln an und gebe nach und nach weiteres Gemüse hinzu. Die Kartoffeln sind fertig und ich fange an, sie mit der Gabel zu stampfen. Es dauert eine Weile, bis wirklich alle Kartoffeln zu Brei geworden sind. Jetzt das gebratene Gemüse mit dem Kartoffelbrei vermischen. Langsam bekomme ich Hunger, weil wir erst sehr spät angefangen haben. Der anhaltende Stromausfall macht es nicht leichter, das Essen anzurichten. Nur noch das Spiegelei obendrauf und der erste Teller ist fertig. Strahlend rufe ich die anderen.

Doch der Blick sagt eigentlich alles. Einen Kommentar können sie sich trotzdem nicht verkneifen. „Kein Reis?! Das ist kein Essen. Du bis verrückt geworden.“ Etwas missmutig sitzt der Koch vor seinem Teller. Nach einer Minute schiebt er den Teller weg. Er steht auf und murmelt etwas wie: „Ich koche Reis.“ Die beiden sind verstimmt, weil sie Hunger haben. Also sitze ich alleine vor meinem Gericht. Als ich fast alles aufgegessen habe, kommen sie zurück. Sie möchten probieren. „In der Not frisst der Teufel Fliegen“, denke ich, als beide langsam zur Gabel greifen. Und als hätte ich es nicht vorher gewusst, es schmeckt. Beide teilen sich die Reste und nehmen sich dann noch eine ordentliche Portion Reis. Ganz ohne geht halt doch nicht.

Donnerstag, 1. Januar 2009

Jahresrennen

01.01.2009

"Und so fängt das neue Jahr an. Obwohl die Feier gefühlt noch im alten Jahr endet."

Als wir um kurz nach elf im Diplomatenviertel Dhakas ankommen, sieht man nicht sehr viel von feiernden Menschen, die die Straße belagern und sich auf das neue Jahr freuen. Warum auch? Heute ist ein normaler Tag. Ein Tag mitten im Jahr. Vielleicht der achte oder neunte Monat. Jedenfalls nach bengalischem Verständnis. Dennoch hat sich die Regierung Sorgen um die ganzen Ausländer gemacht, die, wie auch wir, an dem heutigen Tag Dhaka unsicher machen wollen. Deswegen hat sie vorsichtshalber im ganzen Viertel Polizisten und Sondereinsatzkommandos postiert, die dafür sorgen sollen, dass niemand auf der Straße feiert oder gar Alkohol trinkt. Die schwer bewaffneten Männer jagen sogar die harmlosen Rickshawfahrer weg, die sich an einer Straßenecke ausruhen wollen. Also finden die wenigen Feiern hinter verschlossenen Türen statt. Von den wenigen Privatpartys haben wir uns eine ausgesucht, die nicht ganz so teuer sein soll.

Die Straßen scheinen wie leer gefegt, als wir mit einer Rickshaw vor dem empfohlenen Club halten. Es ist inzwischen halb zwölf. Wir hatten uns mit mehreren getroffen und es ist später geworden als geplant. Nun stehen wir also direkt vor der Feier. Über die hohen Mauern schallt die Musik. Mit der Gewissheit, dass hier auch alkoholische Getränke ausgeschenkt werden, kann man sich ungefähr vorstellen, wie es innen aussieht. Trotzdem stehen wir immer noch draußen. Wir wussten, dass man eine Einladung braucht. Aber für zwei von uns haben wir keine mehr bekommen. Silvester vor verschlossenen Türen feiern ist nicht wirklich schön, während andere sich nur ein paar Meter weiter vergnügen. Eigentlich trennt uns nur die Mauer. Wir fällen die Entscheidung, dass ein Teil vorgeht und versucht jemanden zu finden, der die Einladung aussprechen kann. Jedes Mitglied des Clubs könnte dies tun, sollte er nicht schon andere Leute eingeladen haben.

Ich warte also mit einer anderen Freiwilligen draußen. Es ist kurz vor zwölf. Für den Einlass ist es eigentlich schon zu spät, als es von der anderen Seite schallt: „Wir haben jemanden! Ihr könnt rein!“ Und tatsächlich kommen wir noch rein. Noch drei Minuten. Drinnen legen wir unsere Sachen in einer Ecke ab. Die nächsten Schritte führen mich direkt zur Bar. Angekommen, muss ich feststellen, dass ich Getränkemarken brauche. Also wieder auf die andere Seite. Noch zwei Minuten. Ich investiere das meiste meines Geldes in die kleinen Papiermarken, ohne zu wissen, dass die Feier schon um drei Uhr zu Ende sein wird und ich mindestens die Hälfte davon zum Schluss für Bierdosen ausgebe, um es in meiner Tasche wieder mit nach Hause zu nehmen. Noch eine Minute. Ich hechte wieder zur Bar. Die Sekunden verstreichen. Irgendetwas braucht man zum Anstoßen, das steht fest. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich endlich meine Bestellung aufgeben kann. Zehn, neun. Als der Countdown einsetzt, reiche ich dem Barkeeper ein paar meiner Marken. Sechs, fünf. Immer noch ohne Getränk kommt das neue Jahr näher und näher.

Auf drei stellt der Barmann die beiden Gläser ab. Ich nehme sie und gebe eins in der letzten Sekunde weiter. Gerade noch rechtzeitig stoße ich mit meinem Gegenüber an und nehme einen großen Schluck Gin Tonic. Ich komme mir abgehetzt vor und stelle fest, dass ich in dieses Jahr wohl eher gerannt als gerutscht bin.