Herzlich Willkommen auf meinem Blog!


Diese Seite soll mir helfen Euch meine Erfahrungen, meine Eindrücke und meinen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Bangladesch näher zu bringen.

Von September 2008 bis August 2009 arbeite ich zusammen mit NETZ Bangladesch bei der Entwicklungsorganisation Ashrai. In dieser Zeit bin ich in einem Grundbildungsprogramm in der Region um Joypurhat tätig.

Nähere Infos zu dem Projekt findet Ihr "hier".

Ich werde mich bemühen regelmäßig aus Bangladesch zu berichten. Ihr habt zu jedem Post die Möglichkeit Kommentare abzugegen. Solange nicht anders gewünscht, werde ich die Kommentare nach einer Prüfung meinerseits veröffentlichen. Gerne dürft Ihr mir auch auch E-Mails schreiben oder mich auf eine andere Weise kontaktieren.


Peter


Montag, 29. Dezember 2008

Wahltag

29.12.2008

"Es ist ruhig. Keine Autos, keine Busse, keine Motorengeräusche."

Es gab in den letzten zwei Wochen keinen Tag, an dem nicht eine Masse an Menschen an unserem Haus vorbeigezogen ist. Gegenüber unserer Wohnung wohnt der Kandidat für diesen Stadtbezirk. Die Menschen, die mindestens zweimal am Tag mit lauten Rufen die Straße rauf und runter gelaufen sind, sind verschwunden. Nein, heute sind kaum Leute auf der Straße. Nur die Rickshaws befahren die Gegend und klingeln hier und da. Heute haben sich alle vor den Wahlbüros versammelt. Fahrzeuge dürfen nur mit Sondergenehmigung fahren. Heute wählen die Menschen in Bangladesch eine neue Regierung, nachdem das Land in den letzten zwei Jahren von einer Übergangsregierung geführt wurde.

Für niemanden ist es ersichtlich, was heute passieren wird, ob und wenn doch, wo es zu Ausschreitungen kommen könnte. Dennoch ist die Stimmung deutlich. Ruhig und friedlich soll es zugehen. Und eine neue Regierung soll in fairen und freien Wahlen gewählt werden. Nachmittags steht fest, dass bereits mehr Menschen als erwartet gewählt haben. Es sieht ganz danach aus, als gäbe es die höchste Wahlbeteiligung in der Geschichte Bangladeschs. Auch die Zeichen für den Sieg einer Partei werden immer deutlicher. Die Stimmung der letzten Tage scheint sich auch hier zu bestätigen. Erste Prognosen werden im Fernsehen ausgestrahlt.

Ich habe indessen nicht viel gemacht. „Die Wahllokale meiden“, hieß es. Hin und wieder verfolge ich die Berichterstattungen im Fernsehen. Das meiste, was gesagt wird, verstehe ich nicht, aber die Zahlen, die am unteren Rand durch den Bildschirm laufen, sagen alles. Es wird Abend und mir fällt ein, dass ich noch Wäschen waschen wollte. Kurz vor Mitternacht lasse ich mir noch einmal bestätigen, was ich vorher schon gehört hatte. Ich rufe die Internetseite der Wahlkommission auf und lese mir das vorläufige Wahlergebnis durch. So geht dieser unerwartet ruhige Wahltag zu Ende.

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Weihnachtstopfpflanze

24.12.2008

"Weihnachten oder „boro din“ – der große Tag – wird in Bangladesch nur von einer kleinen Minderheit gefeiert. Kein Weihnachtsschmuck, keine Schokoladenweihnachtsmänner und keine Weihnachtsbäume."

Ich bin gerade aufgestanden. Heilig Abend. Es liegt weder Schnee noch ist es kalt. In den letzten Monaten war von Weihnachten wenig zu sehn. Die sonst allgegenwärtige Vorfreude blieb aus. Dennoch sind wir der Meinung, dass wenigstens ein wenig gefeiert werden muss. Der Restaurantbesuch am Abend steht fest. Uns fehlt aber immer noch etwas, um Stimmung zu schaffen. Wir brauchen einen Weihnachtsbaum.

Wir sitzen auf der Terrasse. Unser Blick fällt auf die großen Topfpflanzen, die ringsum das Geländer aufgestellt sind. Sie gleichen zwar ganz und gar nicht einer Tanne, aber das Geäst sollte für unsere Zwecke reichen. Der kleine Baum findet sich in einem großen, grünen Fass. Das Heben bereitet uns Schwierigkeiten. Auf einer Pappe, die wir in einer Abstellkammer gefunden haben, lässt sich die Pflanze dann doch über die Fliesen schleifen. Unabsichtlich hinterlassen wir einen schwarzen Streifen auf dem Boden.

Es dauert eine Weile bis wir den richtigen Platz in dem Zimmer nebenan finden. Wir beginnen den wenigen Weihnachtsschmuck den wir haben am Baum zu befestigen. Nach und nach füllen sich die Äste und die langweilige Pflanze wird zu einem bunt geschmückten Objekt. Glitzerfolie, die wir extra gekauft hatten, lässt auch das Metallfass erstrahlen. Der bengalische Weihnachtsmann, der nicht hell- sondern dunkelhäutig ist, ist der ganze Stolz unseres Prachtstücks. Das ganze sieht recht ungewöhnlich aus, aber es erfüllt seinen Zweck. Und so bringen die Weihnachtstopfpflanze und die selbstgebackenen Plätzchen auch ein wenig Weihnachten nach Bangladesch.

Dienstag, 16. Dezember 2008

Siegestag

16.12.2008

"Die Straße ist gesperrt. Eine Masse an Menschen geht voller Euphorie an mir vorbei. Sie singen und tanzen für ihr Land."

16. Dezember 1971, Pakistan steht zu seiner Niederlage und der neunmonatige, blutige Krieg hat ein Ende. Die Unabhängigkeit hat das bengalische Volk viele Opfer gekostet. In dem „Liberation War Museum“ lese ich von einem Jungen, der am Morgen des 16. Dezembers auf die Straße läuft und den Sieg Bangladeschs bejubelt, während er eine selbst gemachte Flagge schwingt. Er wird von pakistanischen Soldaten erschossen. Eines der letzten Opfer des Krieges.

Schon seit Tagen kann man in Dhaka bengalische Fahnen kaufen. An jedem Auto, jeder CNG und jeder Rickshaw weht das Symbol der Unabhängigkeit. Eine Euphorie überkommt das Land, wie man sie in Deutschland nur beim Fußball findet. Ich bin unterwegs zum Landesmuseum. Paraden gibt es überall in der Stadt. Um zehn Uhr soll es losgehen. Pünktlich erreiche ich das Ziel. Einige Leute haben sich schon vor dem Museum versammelt. Von der Parade fehlt jede Spur. Ich warte und die Minuten vergehen. Ich beginne mich zu fragen, ob ich an dem richtigen Ort bin. Es öffnet sich ein Tor und Leute mit Fahnen und Kleidung in rot und grün strömen aus den Mauern.

Hunderte von Menschen folgen. Am Ende zieht eine Masse von jungen Bengalen eine riesige Statue von bengalischen Freiheitskämpfern. Begleitet von Trommeln und dem wilden Geschrei der Beteiligten setzt sich der Zug in Bewegung. Eine großflächige Flagge nimmt die ganze Straße ein. Kinder laufen unter der Fahne und freuen sich über das Spektakel. Die Parade lockt viele Besucher an, die ebenfalls ausgelassen feiern. Auch Pressevertreter beobachten das Geschehen. Als mich ein Kamerateam entdeckt, kommt es auf mich zu. Über ein kleines Statement von einem Ausländer würden sie sich freuen, sagen sie mir und halten mir ein Mikrophon vor die Nase. Etwas überfordert, verweise ich auf zwei andere Freiwillige. Als sie uns ein paar Sätze abringen können, treten sie den Rückzug an. Ich höre wie der Reporter sagt: „Das ist gut gelaufen.“ Der Kameramann nickt zustimmend.

Ich laufe der Parade wieder nach. Von der Begeisterung der Menschen überwältigt, verliere ich Gedanken daran, wie dieser Nationalstolz wohl in Deutschland aussehen würde.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Schönwald

09.12.2008

"Es beginnt zu dämmern. Die Männer mit den Gewehren sagen, wir müssen zurück. Weg vom Strand, zurück durch das exotische Waldstück Richtung Boot."

Endlich Frühstück. Wenn man schon um fünf Uhr morgens aufsteht, ist man spätestens um acht Uhr hungrig. Zum Glück hatten wir in der Zwischenzeit etwas zu tun. Zurück von den schmalen Kanälen mit dem kleinen Ruderboot. Still ist es hier. Nur morgens machen Vögel auf sich aufmerksam und flattern wild durch die vielen Bäume. Die Bäume, die Wurzeln sind an den Ufern oft komplett freigelegt. Seltsam zu betrachten, das Baumwerk von unten. Das Frühstück ist gut und die Mannschaft beginnt den Anker einzuholen. Das kleine Boot gleicht einer Nussschale und bietet uns auf Deck wenig Platz zum Essen und Trinken. Als wir fertig sind, wird alles abgeräumt und die beiden Tische wieder an die Reling geklappt.

Die Motoren werden angeworfen und wir schippern wieder los. Auf dem großen, braunen Fluss begegnen uns nur sehr wenige andere Boote. Zu beiden Ufern erstrecken sich die Mangrovenwälder. Die Sundarbans sind die größten weltweit. Ich stehe am Bug. Die Luft ist frisch, nicht verschmutzt und man kann mal wieder durchatmen. In einer kleinen Luke unter mir, steht der Steuermann. Sein Kopf guckt heraus und mit dem rechten Fuß bewegt er das Steuerruder. Unser Kurs führt uns südlich zur Bengalischen Bucht, dem offenen Meer, das Teil des Indischen Ozeans ist. Die Stunden vergehen. Das Motorgeräusch ist kaum noch wahrnehmbar. Nur das Schiff schwankt manchmal leicht hin und her. Ein ganzes Stück flussabwärts biegen wir in einen schmaleren Kanal ein. Kurze Zeit später wird das Schiff langsamer und der Anker wird ausgeworfen.

Es ist Mittag und das Essen kommt gerade recht. Während wir essen, beobachten wir, wie sich zwei Adler ihr Glück versuchen, auch etwas Essbares zu fangen. In einen weiten Sturzflug geht es immer wieder auf die Wasseroberfläche zu. Es platscht leicht und einer der beiden steigt mit einem Fisch in seinen Krallen wieder auf. Er verschwindet in den Ästen eines Baumes am Ufer. Der zweite Adler hat weniger Glück. Wir beobachten seine Versuche. Immer wieder stürzt er auf den Fluss zu und steigt in letzter Sekunde wieder auf. Immer wieder erfolglos. Nach gefühlten zwanzig Versuchen gibt er auf und fliegt über die Baumkronen weg in eine andere Richtung. Nach dem Essen geht es weiter. Wieder steigen wir um auf das kleine Ruderboot und paddeln ans Ufer.

Über einen kleinen Anleger mit Steg geht es an Land. Der Steg besteht aus verschiedenen Holzbrettern und sieht eher provisorisch aus. Diesmal begleiten uns zwei Sicherheitsmänner von der Waldpatrouille. Jeder von ihnen hält ein Gewehr in der Hand zum Schutz vor Tigern, die eventuell auftauchen. Ein Wachmann geht voraus, der andere hinterher. Angeführt von unserem Touristenführer bewegen wir uns immer landeinwärts.Über eine große Wiesenfläche geht es am Waldrand vorbei.

Rehe und Hirsche verstecken sich im Gras. Bunte Schmetterlinge flattern vor unseren Köpfen und setzen sich dann auf die Blüten von großen Blumen. Wir schlagen den Weg durch den Wald ein. Ein Trampelpfad schlängelt sich durch den Wald. Hohe Bäume mit Lianen bilden ein dichtes Gehölz. Der Boden verändert sich und Sand tritt an die Stelle der hellbraunen Erde. Wir kommen an den Rand des Waldes, der mit Palmen aufhört. Zwischen zwei großen Büschen betreten wir den Strand. Weit und breit keine Menschenseele. Die Bengalische Bucht, das offene Meer direkt vor uns.

Wir haben etwas Zeit für uns. Ich lasse meine Sandalen und die Umhängetasche am Treffpunkt. Die Hose wird hochgekrempelt und ich schlendere durch das Meer. Ich laufe die Küste entlang und entdecke mehrere Reihen von abgeholzten Bäumen. Allerdings war hierfür der letzte Sturm verantwortlich und kein Mensch. Das Wasser hat die Stämme abgeschliffen und über die Zeit haben sich rundherum kleine Pfützen gebildet. Krebse und andere kleine Lebewesen finden hier nun Platz. Ich bleibe stehen und genieße den Moment. Als ich mich umdrehe, sehe ich, wie einer unserer Sicherheitsmänner mich zu sich winkt. Ich folge seiner Geste und er zeigt mir, was er gerade entdeckt hat. Vor mir in Sand sind klar und deutlich große Abdrücke von Tigerpfoten zu sehen. Auch der andere Wachmann kommt und sieht sich die Spuren an. Beide beschließen, dass die Fußspuren noch frisch sind.

Wir verfolgen den Gang des Tigers. Sie führen unter den Stamm eines großen Baumes. Auf der anderen Seite finden wir sie wieder und können verfolgen, wie der Tiger um die Bäume geschlichen sein musste. Neben den großen Spuren tauchen nun auch kleine Abdrücke auf. Einige Meter weiter führen sie in den Wald. Auch die anderen konnten die Schnitzeljagd mitverfolgen. Es dämmert leicht und die Männer entscheiden, dass es besser ist umzukehren. Wir machen uns auf den Rückweg und lassen den bengalischen Königstiger hinter uns.

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Wunderland

03.12.2008

"Dhaka von oben habe ich mir etwas anders vorgestellt. Aber es sind auch die kleinen Dinge, die mir Freude bereiten können."

Wir sitzen zu fünft in einem Taxi. „Geburtstag feiern“ steht auf dem Plan. Unser Weg führt uns nach Gulshan, das Botschaftsviertel Dhakas. Wo sonst sollte es einen Vergnügungspark geben? Als wir ankommen werden unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Wir kaufen fünf Tickets und gehen durch einen großen, bunten Bogen. Freizeitpark auf bengalisch. Bunt, schrill, leer und nach europäischen Maßstäben nicht zu messen. Die Anlage erinnert mich irgendwie an einen ähnlichen Park in der Nähe meiner Heimat. Dennoch, gleich links ein Kettenkarussell, weiter hinten ein Riesenrad, auf der linken Seite eine „Achterbahn“ mit Wasserbecken, rechts Autoscooter, in der einen Ecke ein kleiner Zoo und in der anderen ein 3D-Kino. Außerdem kleine Stände mit Zuckerwatte, Süßigkeiten, Chips und Getränken.

Wir gehen zu den Autoscootern. Fünf Minuten Fahrspaß ohne darauf achten zu müssen, ob irgendetwas kaputt geht. Über mir sprühen alle paar Meter Funken. Spätestens jetzt bin ich mir sicher, dass man auch bei meinem Fahrzeug nichts sonderlich zerstören kann. Die Zeit vergeht schneller als gedacht und wir müssen aussteigen. Jetzt erstmal Zuckerwatte. Die Maschine zur Herstellung sieht zwar schon etwas älter aus, aber die Zuckerwatte schmeckt und das ist die Hauptsache. Nächste Station Kaffeetassen. Zum Glück wird mir nicht so schnell schlecht. Doch nach der ersten Fahrt, muss ich auf eine zweite verzichten und mich erst einmal setzen. Etwas Ruhiges muss her.

Die anderen drängen auf die Achterbahn zu gehen. „Also Achterbahn.“, denke ich. Fünf oder sechs Stufen geht es ein Podest hoch. Wir bekommen Regenjacken, die leider schon nass sind. Ein Wagen in Form einer riesigen Ente macht die Achterbahn aus. Ich nehme in dem kleinen Wagen Platz. Ich muss meine Beine zur Seiten drehen, um überhaupt sitzen zu können. Es geht los. Mit wenig Schwung schaffen wir es gerade durch einen kleinen Tunnel. Auf der anderen Seite werden wir wieder hochgezogen. Oben angekommen geht es leicht bergab in eine Kurve. Nach der 180°-Kurve wird es steiler. Das Wasserbecken liegt vor uns. Es platscht. Wir stehen wieder und dürfen aussteigen. Dort wo vorher kein Regenmantel war, ist es jetzt nass.

Erstmal trocknen. Wir setzen uns an eine kleine Bude und trinken etwas. Das Kettenkarussell sieht nicht vertrauenswürdig aus. Bleibt also noch das Riesenrad. Das sieht zwar auch schon älter aus, ist aber zum Glück nicht so hoch und wesentlich langsamer. Spaß haben wir trotzdem.